Der Begriff Akademisierungswahn ist ein Schlagwort, welches zur Benennung verschiedener Phänomene benutzt wird. Zum einen kann es eine vermeintlich zu hohe absolute Zahl von Studierenden bezeichnen, zum anderen kann es für die Auffassung stehen, dass Studierende während des Studiums generell zu viel und vor allem zu viel Unnötiges lernten.
Tatsächlich ist in Deutschland sowohl die absolute Zahl der Studienanfänger, als auch die Studienanfängerquote stark gestiegen. Der Anteil der Studienanfänger innerhalb der entsprechenden Alterskohorte lag im Jahr 2000 nur bei gut einem Drittel, seit dem Jahr 2010 liegt der Anteil dauerhaft über 50%. Um Effekte wie doppelte Abiturjahrgänge und Anteil der Studenten aus dem Ausland bereinigt, liegt Studienanfängerquote noch immer deutlich über 40% und übertrifft damit das Ziel des Dresdner Bildungsgipfels.
Obwohl die Studienanfängerquote in Deutschland seit rund 10 Jahren deutlich höher ist als früher, bleibt der Anteil der Akademiker in Deutschland trotzdem weiterhin klar unter dem OECD-Durchschnitt. Ein Grund für die in Deutschland weiterhin relativ niedrige Akademisierungsrate, also dem Anteil von Hochschulabsolventen an der jüngeren Gesamtbevölkerung, ist die hohe Quote der Studienabbrecher. In Deutschland beginnen überproportional viele Menschen ein Studium, ohne es letztendlich abzuschließen.
Einige Folgen der der zunehmenden Akademisierung:
Im internationalen Vergleich liegt Deutschland im Bereich der akademischen Bildung seiner Bevölkerung eher unter dem Durchschnitt und insofern scheint der Begriff Akademisierungswahn (noch) nicht angebracht. Allerdings befindet sich Deutschland mit dem etablierten System der Beruflichen Ausbildung in einer besonderen Situation. Angesiedelt zwischen Training on the Job und Studium, befindet sich das Berufsausbildungssystem nun in einer Krise und verliert zunehmend an Ansehen.
Stand: August 2018
[1] http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/beruf/bildungswege-heutzutage-ist-man-ohne-studium-fast-nichts-mehr-wert-15689477.html
Tags: Über Akademisierung Wahn Julian Nida-Rümelin Universität Akademiker Schwemme Dünkel Hochschule NC Zugang Beschränkung Bildung Expansion Chancen Bologna Prozess Bachelor Master Diplom Promotion Bildung System Studenten Studierende Studium Abbruch Studienabbrecher Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD
Tatsächlich ist in Deutschland sowohl die absolute Zahl der Studienanfänger, als auch die Studienanfängerquote stark gestiegen. Der Anteil der Studienanfänger innerhalb der entsprechenden Alterskohorte lag im Jahr 2000 nur bei gut einem Drittel, seit dem Jahr 2010 liegt der Anteil dauerhaft über 50%. Um Effekte wie doppelte Abiturjahrgänge und Anteil der Studenten aus dem Ausland bereinigt, liegt Studienanfängerquote noch immer deutlich über 40% und übertrifft damit das Ziel des Dresdner Bildungsgipfels.
Obwohl die Studienanfängerquote in Deutschland seit rund 10 Jahren deutlich höher ist als früher, bleibt der Anteil der Akademiker in Deutschland trotzdem weiterhin klar unter dem OECD-Durchschnitt. Ein Grund für die in Deutschland weiterhin relativ niedrige Akademisierungsrate, also dem Anteil von Hochschulabsolventen an der jüngeren Gesamtbevölkerung, ist die hohe Quote der Studienabbrecher. In Deutschland beginnen überproportional viele Menschen ein Studium, ohne es letztendlich abzuschließen.
Einige Folgen der der zunehmenden Akademisierung:
- Wenn praktisch jeder einen Hochschulabschluss verweisen kann, sinkt der Wert des individuellen Abschlusses. Akademische Bildungsabschlüsse werden zur Norm. Arbeitgeber setzten immer öfter Hochschulabschlüsse für einfache Tätigkeiten voraus. Im Wettbewerb mit anderen Bewerbern muss der potentielle Arbeitnehmer immer höhere Abschlüsse vorweisen können, um noch Aufmerksamkeit auf sich lenken zu können. Der individuelle Bildungsabschluss wird immer bedeutungsloser und verliert als Alleinstellungsmerkmal rapide an Wert. Der Wertverfall der erworbenen Qualifikation führt zu einer Bildungstretmühle: Immer mehr und immer höhere Hochschulabschlüssen und außeruniversitäre Zusatzqualifikationen scheinen erforderlich. In den USA ist bereits heute erkennbar, welche Folgen das Bildungswettrüsten haben wird.
- Ungeeignete Studierende quälen sich aus falschem Ehrgeiz durch ein Studium. Der hohe Anteil an Studierenden innerhalb der Alterskohorte lässt einen gefühlten gesellschaftlichen Zwang zum Studium entstehen und führt mittlerweile zu einer veränderten Erwartungshaltung bezüglich eines akzeptablen Bildungsniveaus. Viele Menschen fühlen sich mittlerweile unwohl, wenn sie lediglich eine berufliche Ausbildung und nicht mindestens einen BA vorweisen können. [1] Dieser empfundene Druck bewegt Menschen zum Studium, welche für ein solches schlicht nicht geeignet sind. Entsprechend hoch ist die Zahl der Studienabbrecher.
- Wenn ein Studium als die einzig valide Option erscheint, bleibt kaum jemand für die Berufliche Ausbildung übrig. Junge Menschen welche einerseits die Voraussetzungen zum Besuch einer Hochschule mitbringen, andererseits aber eigentlich lieber einen Ausbildungsberuf ergreifen möchten, entschließen sich ein Studium zu absolvieren, da sie (zu Recht) befürchten, dass eine Berufsausbildung in die beruflichen Sachgasse führt. Durch den Anstieg der Abiturquote auf über 40% eines Altersjahrganges werden dem Berufsausbildungssystem mehr fähige Menschen als jemals zuvor entzogen. Es kommt zu einer Fehlallokation im Bildungssystem: Die Berufliche Ausbildung verkommt zu einem Sammelbecken der Underperformer und die mittelmäßigen Bachelores ohne echte Qualifikation müssen später vom Betrieb erst noch angelernt werden.
- Ausbildungsplätze können nicht besetzt werden - Facharbeiter fehlen. Menschen, welche sich aus falschem Ehrgeiz für ein Studium entscheiden, stehen bis zum Abbruch ihres Studiums dem Markt der Beruflichen Ausbildung nicht zur Verfügung.
Im internationalen Vergleich liegt Deutschland im Bereich der akademischen Bildung seiner Bevölkerung eher unter dem Durchschnitt und insofern scheint der Begriff Akademisierungswahn (noch) nicht angebracht. Allerdings befindet sich Deutschland mit dem etablierten System der Beruflichen Ausbildung in einer besonderen Situation. Angesiedelt zwischen Training on the Job und Studium, befindet sich das Berufsausbildungssystem nun in einer Krise und verliert zunehmend an Ansehen.
Stand: August 2018
[1] http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/beruf/bildungswege-heutzutage-ist-man-ohne-studium-fast-nichts-mehr-wert-15689477.html
Tags: Über Akademisierung Wahn Julian Nida-Rümelin Universität Akademiker Schwemme Dünkel Hochschule NC Zugang Beschränkung Bildung Expansion Chancen Bologna Prozess Bachelor Master Diplom Promotion Bildung System Studenten Studierende Studium Abbruch Studienabbrecher Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD