In einer Demokratie ist es üblich, Ämter und Mandate nur auf Zeit zu vergeben. Hierdurch kann es nach dem Ende der Amtszeit zu einem Wechsel von Politikern in die freie Wirtschaft kommen. Stehen die neuen Tätigkeiten dabei im Zusammenhang mit den früheren politischen Aufgaben, sind Interessenkonflikte möglich.
Auf potentielle Konflikte angesprochen versuchen in die Wirtschaft gewechselte Politiker diese teilweise mit dem Einwand zu entkräften, dass ihnen die Ziele des Unternehmens auch schon länger bei der Arbeit als Politiker am Herzen gelegen hätten. Sie führen also ihre Arbeit lediglich an anderer Stelle fort. Gerade dies ist allerdings Teil des Problems: Politiker die bereits während ihrer Amtstätigkeit gezielt einen Posten in der Wirtschaft anstreben, laufen Gefahr, politische Entscheidungen zu Gunsten des zukünftigen Arbeitgebers zu fällen.
Dass es den neuen Arbeitgebern eher selten um Fachkompetenz geht, sondern die häufig ohne konkretes Tätigkeitsprofil ausgestatteten Direktorenposten oder vorgebliche Beraterfunktion eher den Anschein einer nachgelagerten Bezahlung für als Politiker erbrachte Gefälligkeiten darstellen, wird am Beispiel des als Ex-Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dirk Niebel deutlich. Er hatte im Bundessicherheitsrat über Rüstungsexporte entschieden und wurde wenig später Lobbyist bei dem Rüstungsunternehmen Rheinmetall. [1]
Ansonsten erhoffen sich Unternehmen, die ehemaligen hochrangigen Politikern gutdotierte Posten zum Beispiel als Berater, im Aufsichtsrat oder im Vorstand anbieten, von ihren neuen Mitarbeitern offensichtlich, dass diese ihre bestehenden politischen Kontakte und ihr internes Wissen über politische Abläufe für das Unternehmen gewinnbringend einsetzen.
Für Aufsehen sorgte der Fall Ronald Pofalla unter anderem, weil der Staatsbetrieb Deutsche Bahn einem Ex- Politiker, der vormals für die Kontrolle der Deutsche Bahn mit zuständig war, diesen Einsatz wohl mit einem Millionengehalt honorierte.
Von 05/2011 bis 12/2013 war Daniel Bahr Bundesminister für Gesundheit und ist seit November 2014 als Generalbevollmächtigter der Allianz Private Krankenversicherung tätig. Mitte des Jahres 2012 stimmten die Abgeordneten dem vom Gesundheitsausschuss veränderten Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung zu, welcher die als „Pflege-Bahr“ bekannt gewordene private Pflege-Zusatzversicherung beinhaltet. In seiner Funktion als Bundesminister für Gesundheit hat Daniel Bahr also geholfen den Markt für private Pflegeversicherungen massiv auszuweiten. Sein neuer Arbeitgeber Allianz hat Anfang 2013 einen entsprechenden Pflege-Bahr Tarif auf den Markt gebracht...
Es geht immer noch ein bisschen dreister
Mitunter ist für den Seitenwechsel noch nicht einmal die Aufgabe der alten Position erforderlich. So wurde Thorsten Falk, eigentlich Mitarbeiter des Bundesumweltministeriums, schlicht beurlaubt um seine neue Funktion in Berlin als Bevollmächtigter der de-facto Lobbyorganisation Stiftung Offshore-Windenergie wahrzunehmen. Dass seine neue Arbeitsstelle zudem auch noch über Zuschüsse des Bundes finanziert wird, fällt bei so viel Dreistigkeit fast gar nicht mehr ins Gewicht. [2]
Karenzzeit zur Verhinderung des Drehtür-Effektes
Der Drehtür-Effekt, also Politiker, die aufgrund ihrer guten Kontakte relativ leicht auf gutbezahlte Posten in der freien Wirtschaft wechseln, ist keineswegs ein rein deutsches Phänomen. In Frankreich ist der Wechsel von Politikern auf hoch dotierte Manager- und Beraterposten als "Pantouflage" bekannt, in den USA nennt man es Revolving Door und in Japan spricht man von Amakudari.
Im Unterschied zu Deutschland gibt es in vielen anderen Ländern jedoch bereits eine gesetzlichen Karenzzeit: So ist in Japan der Wechsel von Politikern erst nach zwei Jahren erlaubt. In Europa gilt z.B. in Holland und Großbritannien eine Karenzzeit von 24 Monaten. Und für Mitarbeiter der Europäischen Kommission gilt immerhin noch eine Karenzzeit von 18 Monaten.
In Deutschland hingegen berät die Politik seit nunmehr über einem Jahrzehnt (!) über Karenzzeiten. Im Koalitionsvertrag wurde Anfang des Jahres 2014 endlich angekündigt: „Um den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden, streben wir für ausscheidende Kabinettsmitglieder, Parlamentarische Staatssekretärinnen und Staatssekretäre und politische Beamtinnen und Beamte eine angemessene Regelung an.“
Im Oktober 2014 wurden dann auch die Eckpunkte für eine Regelung der Karenzzeit präsentiert: Minister und Parlamentarische Staatssekretäre sollen künftig bei potentiellen Interessenkonflikten mindestens zwölf Monate warten müssen, bevor sie eine Position außerhalb des Parlaments oder des öffentlichen Dienstes annehmen dürfen. In begründeten Einzelfällen soll die Karenzzeit 18 Monate betragen. Ob ein Interessenkonflikt vorliegt, soll das Bundeskabinett entscheiden, allerdings unter Berücksichtigung des Ratschlags eines Gremiums aus “anerkannten Persönlichkeiten”.
Stand: Dezember 2014
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Dirk_Niebel#Kontroversen
[2] Fröhlingsdorf, Michael: Seltsame Nähe. Der Spiegel, Heft 35/2012 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-87908032.html
Tags: Karenzzeit Minister Politiker Drehtür-Effekt Studie Lobbycontrol Lobbyist Berufsverbot Abgeordnete Korruption Nebeneinkünfte Parteispenden Vetternwirtschaft Pflege Daniel Bahr Allianz Ronald Pofalla Deutsche Bahn Dirk Niebel Rheinmetall
Auf potentielle Konflikte angesprochen versuchen in die Wirtschaft gewechselte Politiker diese teilweise mit dem Einwand zu entkräften, dass ihnen die Ziele des Unternehmens auch schon länger bei der Arbeit als Politiker am Herzen gelegen hätten. Sie führen also ihre Arbeit lediglich an anderer Stelle fort. Gerade dies ist allerdings Teil des Problems: Politiker die bereits während ihrer Amtstätigkeit gezielt einen Posten in der Wirtschaft anstreben, laufen Gefahr, politische Entscheidungen zu Gunsten des zukünftigen Arbeitgebers zu fällen.
Dass es den neuen Arbeitgebern eher selten um Fachkompetenz geht, sondern die häufig ohne konkretes Tätigkeitsprofil ausgestatteten Direktorenposten oder vorgebliche Beraterfunktion eher den Anschein einer nachgelagerten Bezahlung für als Politiker erbrachte Gefälligkeiten darstellen, wird am Beispiel des als Ex-Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dirk Niebel deutlich. Er hatte im Bundessicherheitsrat über Rüstungsexporte entschieden und wurde wenig später Lobbyist bei dem Rüstungsunternehmen Rheinmetall. [1]
Ansonsten erhoffen sich Unternehmen, die ehemaligen hochrangigen Politikern gutdotierte Posten zum Beispiel als Berater, im Aufsichtsrat oder im Vorstand anbieten, von ihren neuen Mitarbeitern offensichtlich, dass diese ihre bestehenden politischen Kontakte und ihr internes Wissen über politische Abläufe für das Unternehmen gewinnbringend einsetzen.
Für Aufsehen sorgte der Fall Ronald Pofalla unter anderem, weil der Staatsbetrieb Deutsche Bahn einem Ex- Politiker, der vormals für die Kontrolle der Deutsche Bahn mit zuständig war, diesen Einsatz wohl mit einem Millionengehalt honorierte.
Von 05/2011 bis 12/2013 war Daniel Bahr Bundesminister für Gesundheit und ist seit November 2014 als Generalbevollmächtigter der Allianz Private Krankenversicherung tätig. Mitte des Jahres 2012 stimmten die Abgeordneten dem vom Gesundheitsausschuss veränderten Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung zu, welcher die als „Pflege-Bahr“ bekannt gewordene private Pflege-Zusatzversicherung beinhaltet. In seiner Funktion als Bundesminister für Gesundheit hat Daniel Bahr also geholfen den Markt für private Pflegeversicherungen massiv auszuweiten. Sein neuer Arbeitgeber Allianz hat Anfang 2013 einen entsprechenden Pflege-Bahr Tarif auf den Markt gebracht...
Es geht immer noch ein bisschen dreister
Mitunter ist für den Seitenwechsel noch nicht einmal die Aufgabe der alten Position erforderlich. So wurde Thorsten Falk, eigentlich Mitarbeiter des Bundesumweltministeriums, schlicht beurlaubt um seine neue Funktion in Berlin als Bevollmächtigter der de-facto Lobbyorganisation Stiftung Offshore-Windenergie wahrzunehmen. Dass seine neue Arbeitsstelle zudem auch noch über Zuschüsse des Bundes finanziert wird, fällt bei so viel Dreistigkeit fast gar nicht mehr ins Gewicht. [2]
Karenzzeit zur Verhinderung des Drehtür-Effektes
Der Drehtür-Effekt, also Politiker, die aufgrund ihrer guten Kontakte relativ leicht auf gutbezahlte Posten in der freien Wirtschaft wechseln, ist keineswegs ein rein deutsches Phänomen. In Frankreich ist der Wechsel von Politikern auf hoch dotierte Manager- und Beraterposten als "Pantouflage" bekannt, in den USA nennt man es Revolving Door und in Japan spricht man von Amakudari.
Im Unterschied zu Deutschland gibt es in vielen anderen Ländern jedoch bereits eine gesetzlichen Karenzzeit: So ist in Japan der Wechsel von Politikern erst nach zwei Jahren erlaubt. In Europa gilt z.B. in Holland und Großbritannien eine Karenzzeit von 24 Monaten. Und für Mitarbeiter der Europäischen Kommission gilt immerhin noch eine Karenzzeit von 18 Monaten.
In Deutschland hingegen berät die Politik seit nunmehr über einem Jahrzehnt (!) über Karenzzeiten. Im Koalitionsvertrag wurde Anfang des Jahres 2014 endlich angekündigt: „Um den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden, streben wir für ausscheidende Kabinettsmitglieder, Parlamentarische Staatssekretärinnen und Staatssekretäre und politische Beamtinnen und Beamte eine angemessene Regelung an.“
Im Oktober 2014 wurden dann auch die Eckpunkte für eine Regelung der Karenzzeit präsentiert: Minister und Parlamentarische Staatssekretäre sollen künftig bei potentiellen Interessenkonflikten mindestens zwölf Monate warten müssen, bevor sie eine Position außerhalb des Parlaments oder des öffentlichen Dienstes annehmen dürfen. In begründeten Einzelfällen soll die Karenzzeit 18 Monate betragen. Ob ein Interessenkonflikt vorliegt, soll das Bundeskabinett entscheiden, allerdings unter Berücksichtigung des Ratschlags eines Gremiums aus “anerkannten Persönlichkeiten”.
Stand: Dezember 2014
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Dirk_Niebel#Kontroversen
[2] Fröhlingsdorf, Michael: Seltsame Nähe. Der Spiegel, Heft 35/2012 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-87908032.html
Tags: Karenzzeit Minister Politiker Drehtür-Effekt Studie Lobbycontrol Lobbyist Berufsverbot Abgeordnete Korruption Nebeneinkünfte Parteispenden Vetternwirtschaft Pflege Daniel Bahr Allianz Ronald Pofalla Deutsche Bahn Dirk Niebel Rheinmetall