Ein Nichtanwendungserlass weist die Verwaltung an, Grundsätze höchstrichterlicher Entscheidungen nur beim konkret entschiedenen Sachverhalt zu berücksichtigen und nicht auf vergleichbare Fälle anzuwenden.
Gerichtliche Entscheidungen wirken grundsätzlich nur zwischen den konkret beteiligten Streitbeteiligten. Sie binden das Gericht und die Streitparteien, soweit es sich um denselben Streitgegenstand handelt. Parallelfälle werden durch das Urteil dagegen nicht erfasst, ebenso wenig Dritte, die nicht am Verfahren beteiligt waren.
Zwar orientieren sich Untergerichte und Behörden in aller Regel an früheren Entscheidungen oberer Gerichte, rechtlich verpflichtet sind sie hierzu aber nicht, denn die Entscheidungen haben in späteren, ähnlich gelagerten Verfahren keine verbindliche Wirkung. Rechtliche Bindungswirkung über den entschiedenen Fall hinaus haben nur die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.
Dies bedeutet, dass auch die Verwaltung rechtlich nicht verpflichtet ist, richterliche Entscheidungen auf vergleichbare Parallelfälle anzuwenden. Aus Gründen der Rechtsanwendungsgleichheit darf die Verwaltung natürlich nicht in einzelnen Fällen willkürlich von ihrer sonstigen Rechtspraxis abweichen. Sie darf aber in Parallelfällen eine gerichtliche Entscheidung generell unbeachtet lassen, wenn eine solche Rechtspraxis noch nicht vorhanden ist und sie diese ausdrücklich auch nicht etablieren will. Die Anweisung der Nicht-Anwendung einer richterlichen Entscheidung über den entschiedenen Fall hinaus ist daher verfassungsrechtlich generell nicht zu beanstanden.
Allerdings ist dieses Vorgehen für das allgemeine Rechtsverständnis des Bürgers nicht nachvollziehbar. Es entsteht zu oft der Eindruck, als ob insbesondere die vom Bundesfinanzhof gefällten Urteile von der Finanzverwaltung als missliebige Entscheidungen betrachtet und in der Folge nach eigenem Ermessen einfach außer Kraft gesetzt werden. Die Autorität der Justiz wird durch den Nichtanwendungserlass massiv untergraben. Entscheidungen der Gerichte auf den Einzelfall zu beschränken und die Anwendung für vergleichbare Fälle pauschal auszuschließen, missachtet die Stellung der Judikative. Letztlich wird durch diese Praxis das demokratische Grundprinzip der Gewaltenteilung infrage gestellt.
Da meist Gerichtsentscheidungen betroffen sind deren Rechtsgrundsätze sich günstig für die Steuerpflichtigen auswirken würden, dürften die Gründe für den Nichtanwendungserlass meist schlicht fiskalischer Natur sein. Allerdings könnten in einigen Fällen durchaus auch politische Motive von Bedeutung sein. So wird z.B. die den Vorstellungen von CDU/ CSU konträr laufende, aber vom Verfassungsgericht angemahnte steuerliche Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften auffallend schleppend umgesetzt.
Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften
Mitte des Jahres 2013 hatte das Verfassungsgericht die Bundesregierung aufgefordert die bisherige Bevorzugung der Ehe zu beenden. Eine daraufhin in das Einkommensteuerrecht eingefügte Zusatzbestimmung besagt, dass die gesetzlichen Regelungen für Ehen auf Lebenspartnerschaften ausgedehnt werden müssen. Eine entsprechende Änderung der das Verfahren zwischen Finanzamt und Steuerpflichtigen regelnden Abgabenordnung unterblieb jedoch. Stattdessen erging ein Nichtanwendungserlass an die Obersten Finanzbehörden der Länder.
Und so verweigert die Bundesregierung schwulen und lesbischen Lebenspartnern weiterhin die volle steuerliche Gleichstellung mit Ehepaaren. Homosexuelle Paare dürfen sich mittlerweile zwar gemeinsam veranlagen lassen und das Ehegattensplitting nutzen, allerdings gelten gleichgeschlechtliche Partner im steuerrechtlichen Sinne weiterhin nicht als Angehörige - was im Falle einer Erbschaft steuerlich durchaus relevant ist.
Stand: Juli 2016
Deutscher Bundestag - Ausarbeitung zum Nichtanwendungserlass:
https://www.bundestag.de/blob/410474/92005b8e5e82270f871d7495523f4e64/wd-4-080-09-pdf-data.pdf
Tags: Nicht Anwendung Erlass Bundes Finanz Verwaltung Ministerium Finanz Hof Gericht Urteil inter partes Deutschland Verfassung Recht Staat Diskriminierung gleichgeschlechtliche homosexuelle eingetragene Lebenspartnerschaft Homo Ehe Erbschaft Steuererklärung Ehegattensplitting
Gerichtliche Entscheidungen wirken grundsätzlich nur zwischen den konkret beteiligten Streitbeteiligten. Sie binden das Gericht und die Streitparteien, soweit es sich um denselben Streitgegenstand handelt. Parallelfälle werden durch das Urteil dagegen nicht erfasst, ebenso wenig Dritte, die nicht am Verfahren beteiligt waren.
Zwar orientieren sich Untergerichte und Behörden in aller Regel an früheren Entscheidungen oberer Gerichte, rechtlich verpflichtet sind sie hierzu aber nicht, denn die Entscheidungen haben in späteren, ähnlich gelagerten Verfahren keine verbindliche Wirkung. Rechtliche Bindungswirkung über den entschiedenen Fall hinaus haben nur die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.
Dies bedeutet, dass auch die Verwaltung rechtlich nicht verpflichtet ist, richterliche Entscheidungen auf vergleichbare Parallelfälle anzuwenden. Aus Gründen der Rechtsanwendungsgleichheit darf die Verwaltung natürlich nicht in einzelnen Fällen willkürlich von ihrer sonstigen Rechtspraxis abweichen. Sie darf aber in Parallelfällen eine gerichtliche Entscheidung generell unbeachtet lassen, wenn eine solche Rechtspraxis noch nicht vorhanden ist und sie diese ausdrücklich auch nicht etablieren will. Die Anweisung der Nicht-Anwendung einer richterlichen Entscheidung über den entschiedenen Fall hinaus ist daher verfassungsrechtlich generell nicht zu beanstanden.
Allerdings ist dieses Vorgehen für das allgemeine Rechtsverständnis des Bürgers nicht nachvollziehbar. Es entsteht zu oft der Eindruck, als ob insbesondere die vom Bundesfinanzhof gefällten Urteile von der Finanzverwaltung als missliebige Entscheidungen betrachtet und in der Folge nach eigenem Ermessen einfach außer Kraft gesetzt werden. Die Autorität der Justiz wird durch den Nichtanwendungserlass massiv untergraben. Entscheidungen der Gerichte auf den Einzelfall zu beschränken und die Anwendung für vergleichbare Fälle pauschal auszuschließen, missachtet die Stellung der Judikative. Letztlich wird durch diese Praxis das demokratische Grundprinzip der Gewaltenteilung infrage gestellt.
Da meist Gerichtsentscheidungen betroffen sind deren Rechtsgrundsätze sich günstig für die Steuerpflichtigen auswirken würden, dürften die Gründe für den Nichtanwendungserlass meist schlicht fiskalischer Natur sein. Allerdings könnten in einigen Fällen durchaus auch politische Motive von Bedeutung sein. So wird z.B. die den Vorstellungen von CDU/ CSU konträr laufende, aber vom Verfassungsgericht angemahnte steuerliche Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften auffallend schleppend umgesetzt.
Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften
Mitte des Jahres 2013 hatte das Verfassungsgericht die Bundesregierung aufgefordert die bisherige Bevorzugung der Ehe zu beenden. Eine daraufhin in das Einkommensteuerrecht eingefügte Zusatzbestimmung besagt, dass die gesetzlichen Regelungen für Ehen auf Lebenspartnerschaften ausgedehnt werden müssen. Eine entsprechende Änderung der das Verfahren zwischen Finanzamt und Steuerpflichtigen regelnden Abgabenordnung unterblieb jedoch. Stattdessen erging ein Nichtanwendungserlass an die Obersten Finanzbehörden der Länder.
Und so verweigert die Bundesregierung schwulen und lesbischen Lebenspartnern weiterhin die volle steuerliche Gleichstellung mit Ehepaaren. Homosexuelle Paare dürfen sich mittlerweile zwar gemeinsam veranlagen lassen und das Ehegattensplitting nutzen, allerdings gelten gleichgeschlechtliche Partner im steuerrechtlichen Sinne weiterhin nicht als Angehörige - was im Falle einer Erbschaft steuerlich durchaus relevant ist.
Stand: Juli 2016
Deutscher Bundestag - Ausarbeitung zum Nichtanwendungserlass:
https://www.bundestag.de/blob/410474/92005b8e5e82270f871d7495523f4e64/wd-4-080-09-pdf-data.pdf
Tags: Nicht Anwendung Erlass Bundes Finanz Verwaltung Ministerium Finanz Hof Gericht Urteil inter partes Deutschland Verfassung Recht Staat Diskriminierung gleichgeschlechtliche homosexuelle eingetragene Lebenspartnerschaft Homo Ehe Erbschaft Steuererklärung Ehegattensplitting