Das Alterseinkünftegesetz sorgte für eine grundlegende Umgestaltung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen sowie die Einführung der nachgelagerten Besteuerung von Rentenzahlungen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 2002 festgestellt, dass die unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen und der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar sei. Der Gesetzgeber wurde daher verpflichtet, bis zum Jahresbeginn 2005 eine verfassungskonforme Neuregelung zu erlassen.
Um einen Lösungsvorschlag für diese Auflage zu finden, setzte das Bundesministerium der Finanzen in der Folge die als Rürup- Kommission bekannt gewordene Expertengruppe ein. Kernpunkt der Kommissionsvorschläge war das Drei-Schichten-Modell, welches in der vorgeschlagenen Form später nahezu unverändert gesetzlich verankert wurde.
Drei-Schichten-Modell
1. Basisversorgung: Gesetzliche Rentenversicherung, berufsständische Versorgung, Alterssicherung der Landwirte, Rürup-Rente
2. Zusatzversorgung: Riester-Rente, betriebliche Altersvorsorge
3. Kapitalanlageprodukte: Produkte, die der Altersvorsorge dienen können, aber steuerlich nicht explizit gefördert werden sollen.
Nachgelagerte Besteuerung
Kernpunkt der Neuregelung durch das Alterseinkünftegesetz ist die sukzessive Steuerfreistellung der Beiträge der ersten beiden Schichten und die kontinuierlich steigende Besteuerung der daraus bezogenen Leistungen.
Problem der (teilweisen) Doppelbesteuerung
Ein im Jahr 1973 geborener Steuerzahler kann im Zeitraum zwischen 2005 und 2024 seine Vorsorgeaufwendungen nicht voll steuerlich geltend machen - dies ist ihm erst ab dem Jahr 2025 möglich. Wenn er ab dem Jahr 2040 im Alter von 67 Jahren dann die Regelaltersrente bezieht, wird diese aber von Anfang an und in voller Höhe der nachgelagerten Besteuerung unterworfen. Es findet folglich eine teilweise Zweifachbesteuerung statt.
Doppelbesteuerung unter Umständen auch bei Riester-Verträgen gegeben
Sparer, die z.B. eventuellen Brüchen in der Erwerbsbiografie vorbeugen wollen und in den Jahren guten Einkommens relativ viel in einen Riester-Vertrag einzahlen, können diese Einzahlungen ggf. nicht voll steuerlich geltend machen, da nur maximal 2.100 Euro pro Person und Jahr abgesetzt werden können. Die Zahlungen aus Riester-Verträgen unterliegen später aber generell in voller Höhe der nachgelagerten Besteuerung. Es erfolgt somit unter Umständen also eine Doppelbesteuerung.
Alterseinkünftegesetz in der aktuellen Form wahrscheinlich verfassungswidrig
Die Doppelbesteuerung erscheint nicht nur unfair im Sinne der Steuergerechtigkeit, sondern ist auch ein direkter Verstoß gegen die Auflagen des Urteiles des Bundesverfassungsgerichtes. Skandalös ist dies zudem insofern, als dass die Kommission selbst das Problem der Zweifachbesteuerung explizit auflistet. [1]
Bereits vor rund 10 Jahren haben der ehemalige Wirtschaftsweise Bert Rürup und Herbert Rische (ehemaliger Präsident der Deutschen Rentenversicherung) in einer weiteren Ausarbeitung erneut darauf hingewiesen, dass „die Übergangsregelung des Alterseinkünftegesetzes bei Zugrundelegung der aktuellen Rahmenbedingungen in erheblichem Umfang gegen das Verbot der Zweifachbesteuerung verstößt“ und zur Änderung des Alterseinkünftegesetzes geraten.
Auch Franz Ruland, ehemaliger Geschäftsführer Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, hält die aktuelle Gesetzeslage für verfassungswidrig, da das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil klar gemacht hatte, dass es in keinem Fall zu einer Doppelbesteuerung kommen darf.
Das Alterseinkünftegesetz ist eines von vielen Beispielen dafür, wie der deutsche Staat wissentlich verfassungswidrige Gesetze in Kraft treten lässt. Trotz dringenden Handlungsbedarfs wird von Seiten des Gesetzgebers bewusst eine weitere Klage und folgende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes abgewartet.
Stand: Mai 2016
* Für alle Neurentner eines Jahres gilt ihr Leben lang der Prozentsatz, der im Jahr des ersten Rentenbezugs anzuwenden war.
[1] Siehe Jahre 2018 bis 2026 der Beispielrechnung in Anlage 9 auf der vorletzte Seiten des Abschlussberichtes der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Download weiter unten - 1.44 MB)
Tags: Alterseinkünfte Gesetz BVerfG Bundesverfassungsgericht AZ 2 BvL 17/99 Pensionen Gesetzliche Deutsche Renten Versicherung nachgelagerte Einkommen Steuer Pflicht Rentner Doppelbesteuerung Kohortenprinzip Bundesfinanzministerium Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen Drei-Schichten-Modell
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 2002 festgestellt, dass die unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen und der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar sei. Der Gesetzgeber wurde daher verpflichtet, bis zum Jahresbeginn 2005 eine verfassungskonforme Neuregelung zu erlassen.
Um einen Lösungsvorschlag für diese Auflage zu finden, setzte das Bundesministerium der Finanzen in der Folge die als Rürup- Kommission bekannt gewordene Expertengruppe ein. Kernpunkt der Kommissionsvorschläge war das Drei-Schichten-Modell, welches in der vorgeschlagenen Form später nahezu unverändert gesetzlich verankert wurde.
Drei-Schichten-Modell
1. Basisversorgung: Gesetzliche Rentenversicherung, berufsständische Versorgung, Alterssicherung der Landwirte, Rürup-Rente
2. Zusatzversorgung: Riester-Rente, betriebliche Altersvorsorge
3. Kapitalanlageprodukte: Produkte, die der Altersvorsorge dienen können, aber steuerlich nicht explizit gefördert werden sollen.
Nachgelagerte Besteuerung
Kernpunkt der Neuregelung durch das Alterseinkünftegesetz ist die sukzessive Steuerfreistellung der Beiträge der ersten beiden Schichten und die kontinuierlich steigende Besteuerung der daraus bezogenen Leistungen.
- Im Jahr 2005 konnten 60% der Vorsorgeaufwendungen der ersten Schicht steuerlich geltend gemacht werden. Dieser Prozentsatz steigt seitdem jedes Jahr um zwei Prozentpunkte, bis im Jahr 2025 die vollen 100% erreicht sein werden. Der absetzbare Betrag kann dann bei Alleinstehenden maximal 20.000 Euro, respektive 40.000 Euro bei Verheirateten betragen.
- Die Übergangsphase für die Besteuerung von Altersbezügen begann im Jahr 2005 und wird bis zum Jahr 2040 andauern. Im Jahr 2005 erstmals bezogene Altersbezüge wurden zu 50% besteuert.* Der steuerpflichtige Anteil erhöht sich seitdem bis zum Jahr 2020 jährlich um zwei Prozentpunkte und danach um ein Prozentpunkt pro Jahr, bis im Jahr 2040 die vollen 100% erreicht sein werden.
Problem der (teilweisen) Doppelbesteuerung
Ein im Jahr 1973 geborener Steuerzahler kann im Zeitraum zwischen 2005 und 2024 seine Vorsorgeaufwendungen nicht voll steuerlich geltend machen - dies ist ihm erst ab dem Jahr 2025 möglich. Wenn er ab dem Jahr 2040 im Alter von 67 Jahren dann die Regelaltersrente bezieht, wird diese aber von Anfang an und in voller Höhe der nachgelagerten Besteuerung unterworfen. Es findet folglich eine teilweise Zweifachbesteuerung statt.
Doppelbesteuerung unter Umständen auch bei Riester-Verträgen gegeben
Sparer, die z.B. eventuellen Brüchen in der Erwerbsbiografie vorbeugen wollen und in den Jahren guten Einkommens relativ viel in einen Riester-Vertrag einzahlen, können diese Einzahlungen ggf. nicht voll steuerlich geltend machen, da nur maximal 2.100 Euro pro Person und Jahr abgesetzt werden können. Die Zahlungen aus Riester-Verträgen unterliegen später aber generell in voller Höhe der nachgelagerten Besteuerung. Es erfolgt somit unter Umständen also eine Doppelbesteuerung.
Alterseinkünftegesetz in der aktuellen Form wahrscheinlich verfassungswidrig
Die Doppelbesteuerung erscheint nicht nur unfair im Sinne der Steuergerechtigkeit, sondern ist auch ein direkter Verstoß gegen die Auflagen des Urteiles des Bundesverfassungsgerichtes. Skandalös ist dies zudem insofern, als dass die Kommission selbst das Problem der Zweifachbesteuerung explizit auflistet. [1]
Bereits vor rund 10 Jahren haben der ehemalige Wirtschaftsweise Bert Rürup und Herbert Rische (ehemaliger Präsident der Deutschen Rentenversicherung) in einer weiteren Ausarbeitung erneut darauf hingewiesen, dass „die Übergangsregelung des Alterseinkünftegesetzes bei Zugrundelegung der aktuellen Rahmenbedingungen in erheblichem Umfang gegen das Verbot der Zweifachbesteuerung verstößt“ und zur Änderung des Alterseinkünftegesetzes geraten.
Auch Franz Ruland, ehemaliger Geschäftsführer Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, hält die aktuelle Gesetzeslage für verfassungswidrig, da das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil klar gemacht hatte, dass es in keinem Fall zu einer Doppelbesteuerung kommen darf.
Das Alterseinkünftegesetz ist eines von vielen Beispielen dafür, wie der deutsche Staat wissentlich verfassungswidrige Gesetze in Kraft treten lässt. Trotz dringenden Handlungsbedarfs wird von Seiten des Gesetzgebers bewusst eine weitere Klage und folgende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes abgewartet.
Stand: Mai 2016
* Für alle Neurentner eines Jahres gilt ihr Leben lang der Prozentsatz, der im Jahr des ersten Rentenbezugs anzuwenden war.
[1] Siehe Jahre 2018 bis 2026 der Beispielrechnung in Anlage 9 auf der vorletzte Seiten des Abschlussberichtes der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Download weiter unten - 1.44 MB)
Tags: Alterseinkünfte Gesetz BVerfG Bundesverfassungsgericht AZ 2 BvL 17/99 Pensionen Gesetzliche Deutsche Renten Versicherung nachgelagerte Einkommen Steuer Pflicht Rentner Doppelbesteuerung Kohortenprinzip Bundesfinanzministerium Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen Drei-Schichten-Modell
Abschlussbericht der Sachverständigenkommission | |
File Size: | 1514 kb |
File Type: |