Peter Bofinger: „Große Staaten haben breite Schultern" - FAZ Interview vom 17. Mai 2009
Herr Bofinger behauptet, dass der Konsum der Deutschen gestiegen wäre, wenn es eine kontinuierliche Steigerung der Löhne von 1% pro Jahr gegeben hätte. Selbst wenn man die zugrunde liegende These (Konsum schafft langfristig Wachstum) teilt, so ist die Aussage von Herrn Bofinger reine Spekulation. Es ist keinesfall sicher, dass die Deutschen das Einkommensplus auch tatsächlich ausgegeben hätten. Ein Blick auf die Statistik der Deutschen Bundesbank zeigt, dass die Sparquote der privaten Haushalte in den Jahren 2000 bis 2008 kontinuierlich zunahm. [1]
Dies ist nicht verwunderlich wenn man bedenkt, dass um die Jahrtausendwende die New Economy Blase geplatzt war, kurze Zeit später die westliche Welt durch die Anschläge des 11. September erschüttert wurde und nur ein paar Jahre danach die Spekulationsblase rund um die Immobilienfinanzierungen in den USA ebenfalls platzte. Das vergangene Jahrzehnt war von großer Unsicherheit geprägt und die Deutschen sind bekannt für ihr Angstsparen.
Höchstwahrscheinlich hätten die privaten Haushalte den von Herrn Bofinger angeregten Einkommenszuwachs lediglich in noch höhere Sparbeiträge umgesetzt. Dies hätte dann nicht zu dem gewünschten höheren Konsum geführt, sondern noch mehr Anlagegelder geschaffen, die nach einer lukrativen Anlagemöglichkeit gesucht hätten. Der „Sparer in Esslingen“ hätte also in noch größerem Umfang das Haus von „Jim in Nevada“ finanziert. Die Immobilienblase wäre noch größer geworden.
Darüber hinaus beinhaltet eine automatische Lohnsteigerung von 1% pro Jahr eine verheerende Botschaft. Unabhängig von persönlicher, betrieblicher oder volkswirtschaftlicher Leistung wird das bloße Ausharren in einer Position prämiert. Nicht Leistung wird belohnt, sondern Sitzfleisch.
Auch die von Herrn Bofinger unter anderem favorisierte Lösung des "Konsumproblems" mittels staatlicher Förderung von Eigentum ist ein fataler Irrweg. Eine Förderung von großen Investments wie der Kauf eines Eigenheims mit ein paar hundert Euro im Jahr schafft lediglich bürokratischen Aufwand der in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Darüber hinaus entstehen auf diese Art Fehlanreize und äußerst wackelige Finanzierungen von Kleinverdienern, die bei der ersten Störung zum Verkauf des Objektes gezwungen sind, da sie über keine nennenswerten Geldreserven verfügen. Kommt es zu Leistungsstörungen im großen Ausmaß, entsteht auf dem Immobilienmarkt ein Verkaufsdruck. Die Preise fallen, noch mehr Familien müssen ihr Haus verkaufen, eine Abwärtsspirale entsteht. Die massive staatliche Förderung von Immobilien in den USA (Privatpersonen können die Zinsen der Baufinanzierung voll steuerlich geltend machen) war eine der Ursachen der dortigen Immobilienkrise.
Die These von Herrn Bofinger durch Kredite Geld für Bildung aufzubringen um dann „zehn Prozent“ Rendite zu erzielen hinkt ebenfalls. Zugegeben, die für diese Investition zu zahlenden Zinsen wären momentan sehr niedrig, sie fallen jedoch unmittelbar bereits im Jahr nach der Investition an. Bis sich die - generell sinnvollen - Ausgaben im Bereich der Bildung jedoch in eine positive Rendite umwandeln lassen, werden optimistisch geschätzt mindestens zehn Jahre vergehen. Bis dahin sind die Zinsen der Kredite zu zahlen. Da die BRD seit Jahrzehnten die Schulden nicht tilgt, sondern den Kapitaldienst durch immer neue Schulden finanziert, entsteht ein Zinseszinseffekt im negativen Sinne. Selbst wenn also diese Investition in Bildung später Renditen im zweistelligen Bereich abwerfen wird, reicht dies bestenfalls um die entstandenen Kosten zu decken.
[1] http://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Statistiken/Zeitreihen_Datenbanken/Makrooekonomische_Zeitreihen/its_details_charts_node.html?tsId=BBK01.JAA327
Interview: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/konjunktur/wirtschaftsweiser-peter-bofinger-grosse-staaten-haben-breite-schultern-1799868.html
Tags: Volkswirtschaftslehre wirtschaftsweise uni würzburg prof. dr. peter bofinger interview braucht europa den euro krise griechenland hans werner sinn
Herr Bofinger behauptet, dass der Konsum der Deutschen gestiegen wäre, wenn es eine kontinuierliche Steigerung der Löhne von 1% pro Jahr gegeben hätte. Selbst wenn man die zugrunde liegende These (Konsum schafft langfristig Wachstum) teilt, so ist die Aussage von Herrn Bofinger reine Spekulation. Es ist keinesfall sicher, dass die Deutschen das Einkommensplus auch tatsächlich ausgegeben hätten. Ein Blick auf die Statistik der Deutschen Bundesbank zeigt, dass die Sparquote der privaten Haushalte in den Jahren 2000 bis 2008 kontinuierlich zunahm. [1]
Dies ist nicht verwunderlich wenn man bedenkt, dass um die Jahrtausendwende die New Economy Blase geplatzt war, kurze Zeit später die westliche Welt durch die Anschläge des 11. September erschüttert wurde und nur ein paar Jahre danach die Spekulationsblase rund um die Immobilienfinanzierungen in den USA ebenfalls platzte. Das vergangene Jahrzehnt war von großer Unsicherheit geprägt und die Deutschen sind bekannt für ihr Angstsparen.
Höchstwahrscheinlich hätten die privaten Haushalte den von Herrn Bofinger angeregten Einkommenszuwachs lediglich in noch höhere Sparbeiträge umgesetzt. Dies hätte dann nicht zu dem gewünschten höheren Konsum geführt, sondern noch mehr Anlagegelder geschaffen, die nach einer lukrativen Anlagemöglichkeit gesucht hätten. Der „Sparer in Esslingen“ hätte also in noch größerem Umfang das Haus von „Jim in Nevada“ finanziert. Die Immobilienblase wäre noch größer geworden.
Darüber hinaus beinhaltet eine automatische Lohnsteigerung von 1% pro Jahr eine verheerende Botschaft. Unabhängig von persönlicher, betrieblicher oder volkswirtschaftlicher Leistung wird das bloße Ausharren in einer Position prämiert. Nicht Leistung wird belohnt, sondern Sitzfleisch.
Auch die von Herrn Bofinger unter anderem favorisierte Lösung des "Konsumproblems" mittels staatlicher Förderung von Eigentum ist ein fataler Irrweg. Eine Förderung von großen Investments wie der Kauf eines Eigenheims mit ein paar hundert Euro im Jahr schafft lediglich bürokratischen Aufwand der in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Darüber hinaus entstehen auf diese Art Fehlanreize und äußerst wackelige Finanzierungen von Kleinverdienern, die bei der ersten Störung zum Verkauf des Objektes gezwungen sind, da sie über keine nennenswerten Geldreserven verfügen. Kommt es zu Leistungsstörungen im großen Ausmaß, entsteht auf dem Immobilienmarkt ein Verkaufsdruck. Die Preise fallen, noch mehr Familien müssen ihr Haus verkaufen, eine Abwärtsspirale entsteht. Die massive staatliche Förderung von Immobilien in den USA (Privatpersonen können die Zinsen der Baufinanzierung voll steuerlich geltend machen) war eine der Ursachen der dortigen Immobilienkrise.
Die These von Herrn Bofinger durch Kredite Geld für Bildung aufzubringen um dann „zehn Prozent“ Rendite zu erzielen hinkt ebenfalls. Zugegeben, die für diese Investition zu zahlenden Zinsen wären momentan sehr niedrig, sie fallen jedoch unmittelbar bereits im Jahr nach der Investition an. Bis sich die - generell sinnvollen - Ausgaben im Bereich der Bildung jedoch in eine positive Rendite umwandeln lassen, werden optimistisch geschätzt mindestens zehn Jahre vergehen. Bis dahin sind die Zinsen der Kredite zu zahlen. Da die BRD seit Jahrzehnten die Schulden nicht tilgt, sondern den Kapitaldienst durch immer neue Schulden finanziert, entsteht ein Zinseszinseffekt im negativen Sinne. Selbst wenn also diese Investition in Bildung später Renditen im zweistelligen Bereich abwerfen wird, reicht dies bestenfalls um die entstandenen Kosten zu decken.
[1] http://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Statistiken/Zeitreihen_Datenbanken/Makrooekonomische_Zeitreihen/its_details_charts_node.html?tsId=BBK01.JAA327
Interview: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/konjunktur/wirtschaftsweiser-peter-bofinger-grosse-staaten-haben-breite-schultern-1799868.html
Tags: Volkswirtschaftslehre wirtschaftsweise uni würzburg prof. dr. peter bofinger interview braucht europa den euro krise griechenland hans werner sinn