Solvency II ist ein Projekt der EU-Kommission
mit dem Ziel einer Reform des Versicherungsaufsichtsrechts in Europa. Es
betrifft insbesondere Vorschriften für
die Eigenmittelausstattung von Versicherungsunternehmen.
Wie bei Basel II wird ein 3-Säulen-Ansatz verfolgt. Anders als bei der Bankenbranche liegt der Fokus jedoch weniger auf den Einzelrisiken als vielmehr auf der Sicherung des ganzen Systems. Betrachtet werden sowohl quantitative (Höhe des zur Verfügung stehenden Solvenzkapitals) als auch qualitative Aspekte (Güte des implementierten Risikomanagementsystems im Unternehmen).
Säule I behandelt die Höhe des Minimumsolvenzkapitals, die Mindestkapitalanforderung (MCR, Minimum Capital Requirement) und die Höhe des zu stellenden Zielsolvenzkapitals, die Solvenzkapitalanforderung (SCR, Solvency Capital Requirement) im Verhältnis zu den anrechnungsfähigen Eigenmitteln (eligible own funds). Eigenmittel wurden unter Solvency I auch als das vorhandene Solvenzkapital (ASM, available solvency capital) bezeichnet.
Säule II betrifft das Risikomanagementsystem und beinhaltet vor allem qualitative Anforderungen, beispielsweise an die Qualifikation der Vorstände von Versicherungsunternehmen (sog. Fit-and-proper-Kriterien).
Säule III regelt Berichterstattungspflichten der Versicherungsunternehmen: zum Einen Berichtspflichten an Aufsichtsbehörden (supervisory reporting) und zum Anderen zu veröffentlichende Angaben (public disclosure). Bei den Berichtspflichten nach Säule III von Solvency II soll eine enge Anbindung an andere gesetzliche Berichtspflichten wie auch in der Rechnungslegung, insbesondere den International Financial Reporting Standards (IFRS), erreicht werden.
Fest steht, dass die Erfüllung der Anforderungen von Solvency II wird enorme Kosten für die Lebensversicherungsgesellschaften entstehen lassen. BaFin-Exekutivdirektor Felix Hufeld schätzt das Volumen auf einen zweistelligen Milliardenbetrag. Auch wenn die deutschen Versicherer nach der für das Jahr 2016 geplanten Einführung von Solvency II ihre Kapitaldecke jedes Jahr um weitere drei bis fünf Milliarden Euro aufstocken müssen, sieht er diese generell gut vorbereitet.
Die stärker am Risiko der Kapitalanlagen ausgerichteten Solvency II-Anforderungen werden allerdings unter anderem zu tiefgreifenden Veränderungen bei den angebotenen Versicherungsprodukten führen. Felix Hufeld: "Bei den Lebensversicherern ist es ein Katalysator für ein stärker ausdifferenziertes Produktangebot. Das wird von Solvency II geradezu erzwungen.“
Da klassische Rentenversicherungen mit einem garantierten Zins von mittlerweile noch 1,75% wenig attraktiv erscheinen, werden viele Anbieter in der Tat versuchen in Zukunft noch stärker auf Fondspolicen zu setzen. Der Vorteil solcher Policen aus Sicht eines Versicherers: Da das Risiko auf den Kunden übertragen wird, muss der Konzern selbst weniger Risiko tragen und in der Konsequenz weniger der von Solvency II geforderten Eigenmittel zur Risikoabsicherung bereithalten.
Für den Kunden bedeutet dieses „stärker ausdifferenziertes Produktangebot“ jedoch vielfach, dass sich der Abschluss einer Versicherung schlicht nicht mehr lohnt. Denn generell ist Sinn einer Versicherung, dass das Kollektiv der Versicherungsgemeinschaft dem Individuum das Risiko für ein eventuell eintretendes Ereignis abnimmt. Im Falle der Rentenversicherung ist eine lange Lebensdauer -und damit verbunden die vorzeitige Erschöpfung seiner finanziellen Reserven- das abzudeckende „Risiko“ des Versicherungsnehmers. Bei klassischen Rentenversicherungspolicen vereinbart der Kunde hierzu die Zahlung eines festen Beitrages während der Ansparphase und der Versicherer garantiert im Gegenzug die Zahlung einer lebenslangen Rente in bei Vertragsabschluss garantierter Höhe. Im Gegensatz dazu wird bei Fondspolicen üblicherweise keine Garantie für eine bestimmte Summe gegeben und zur Auszahlung kommt am Ende eine Rente auf Basis des bis dahin angesammelten Kapitals – laufen die Börsen in der Ansparphase schlecht, fällt dieses Stammkapital und die darauf basierende zukünftige Rente entsprechend niedrig aus. Da das Risiko vollständig vom einzelnen Versicherungsnehmer getragen wird und die reine Kapitalansammlung günstiger über einen Fondssparplan realisiert werden kann, sind Fondspolicen nutzlos.
Zusätzlich zu den verschärften Solvency II-Anforderungen werden die Versicherungsgesellschaften zunehmend mit den Folgen der Niedrigzinspolitik konfrontiert. Zum einen haben einige Versicherungskonzerne Probleme die dem Kunden garantierten Zinsen am Markt überhaupt noch zu erwirtschaften und zum anderen sind durch das niedrige Zinsniveau buchtechnische Bewertungsreserven entstanden, welche die Konzerne nach einem höchstrichterlichen Urteil mittlerweile an ihre Kunden ausschütten müssen.
Nach Einschätzung der BaFin wird es zu einer Konsolidierung in der Versicherungsbranche kommen. Dass Solvency II in Kombination mit der Niedrigzinspolitik die kapitalstarken Versicherungskonzerne in dominanter Marktposition begünstigt und damit gerade die Unternehmen stärkt, welche in der nächsten Krise des Finanzsektors „too-big-to-fail“ sind, scheint keinen zu stören.
Stand: Februar 2014
Tags: Solvency II Anforderungen Rahmen Richtlinie Versicherungen Pensionskassen Immobilien BaFin Basel III Standardmodell Eigenkapital Säulen
Wie bei Basel II wird ein 3-Säulen-Ansatz verfolgt. Anders als bei der Bankenbranche liegt der Fokus jedoch weniger auf den Einzelrisiken als vielmehr auf der Sicherung des ganzen Systems. Betrachtet werden sowohl quantitative (Höhe des zur Verfügung stehenden Solvenzkapitals) als auch qualitative Aspekte (Güte des implementierten Risikomanagementsystems im Unternehmen).
Säule I behandelt die Höhe des Minimumsolvenzkapitals, die Mindestkapitalanforderung (MCR, Minimum Capital Requirement) und die Höhe des zu stellenden Zielsolvenzkapitals, die Solvenzkapitalanforderung (SCR, Solvency Capital Requirement) im Verhältnis zu den anrechnungsfähigen Eigenmitteln (eligible own funds). Eigenmittel wurden unter Solvency I auch als das vorhandene Solvenzkapital (ASM, available solvency capital) bezeichnet.
Säule II betrifft das Risikomanagementsystem und beinhaltet vor allem qualitative Anforderungen, beispielsweise an die Qualifikation der Vorstände von Versicherungsunternehmen (sog. Fit-and-proper-Kriterien).
Säule III regelt Berichterstattungspflichten der Versicherungsunternehmen: zum Einen Berichtspflichten an Aufsichtsbehörden (supervisory reporting) und zum Anderen zu veröffentlichende Angaben (public disclosure). Bei den Berichtspflichten nach Säule III von Solvency II soll eine enge Anbindung an andere gesetzliche Berichtspflichten wie auch in der Rechnungslegung, insbesondere den International Financial Reporting Standards (IFRS), erreicht werden.
Fest steht, dass die Erfüllung der Anforderungen von Solvency II wird enorme Kosten für die Lebensversicherungsgesellschaften entstehen lassen. BaFin-Exekutivdirektor Felix Hufeld schätzt das Volumen auf einen zweistelligen Milliardenbetrag. Auch wenn die deutschen Versicherer nach der für das Jahr 2016 geplanten Einführung von Solvency II ihre Kapitaldecke jedes Jahr um weitere drei bis fünf Milliarden Euro aufstocken müssen, sieht er diese generell gut vorbereitet.
Die stärker am Risiko der Kapitalanlagen ausgerichteten Solvency II-Anforderungen werden allerdings unter anderem zu tiefgreifenden Veränderungen bei den angebotenen Versicherungsprodukten führen. Felix Hufeld: "Bei den Lebensversicherern ist es ein Katalysator für ein stärker ausdifferenziertes Produktangebot. Das wird von Solvency II geradezu erzwungen.“
Da klassische Rentenversicherungen mit einem garantierten Zins von mittlerweile noch 1,75% wenig attraktiv erscheinen, werden viele Anbieter in der Tat versuchen in Zukunft noch stärker auf Fondspolicen zu setzen. Der Vorteil solcher Policen aus Sicht eines Versicherers: Da das Risiko auf den Kunden übertragen wird, muss der Konzern selbst weniger Risiko tragen und in der Konsequenz weniger der von Solvency II geforderten Eigenmittel zur Risikoabsicherung bereithalten.
Für den Kunden bedeutet dieses „stärker ausdifferenziertes Produktangebot“ jedoch vielfach, dass sich der Abschluss einer Versicherung schlicht nicht mehr lohnt. Denn generell ist Sinn einer Versicherung, dass das Kollektiv der Versicherungsgemeinschaft dem Individuum das Risiko für ein eventuell eintretendes Ereignis abnimmt. Im Falle der Rentenversicherung ist eine lange Lebensdauer -und damit verbunden die vorzeitige Erschöpfung seiner finanziellen Reserven- das abzudeckende „Risiko“ des Versicherungsnehmers. Bei klassischen Rentenversicherungspolicen vereinbart der Kunde hierzu die Zahlung eines festen Beitrages während der Ansparphase und der Versicherer garantiert im Gegenzug die Zahlung einer lebenslangen Rente in bei Vertragsabschluss garantierter Höhe. Im Gegensatz dazu wird bei Fondspolicen üblicherweise keine Garantie für eine bestimmte Summe gegeben und zur Auszahlung kommt am Ende eine Rente auf Basis des bis dahin angesammelten Kapitals – laufen die Börsen in der Ansparphase schlecht, fällt dieses Stammkapital und die darauf basierende zukünftige Rente entsprechend niedrig aus. Da das Risiko vollständig vom einzelnen Versicherungsnehmer getragen wird und die reine Kapitalansammlung günstiger über einen Fondssparplan realisiert werden kann, sind Fondspolicen nutzlos.
Zusätzlich zu den verschärften Solvency II-Anforderungen werden die Versicherungsgesellschaften zunehmend mit den Folgen der Niedrigzinspolitik konfrontiert. Zum einen haben einige Versicherungskonzerne Probleme die dem Kunden garantierten Zinsen am Markt überhaupt noch zu erwirtschaften und zum anderen sind durch das niedrige Zinsniveau buchtechnische Bewertungsreserven entstanden, welche die Konzerne nach einem höchstrichterlichen Urteil mittlerweile an ihre Kunden ausschütten müssen.
Nach Einschätzung der BaFin wird es zu einer Konsolidierung in der Versicherungsbranche kommen. Dass Solvency II in Kombination mit der Niedrigzinspolitik die kapitalstarken Versicherungskonzerne in dominanter Marktposition begünstigt und damit gerade die Unternehmen stärkt, welche in der nächsten Krise des Finanzsektors „too-big-to-fail“ sind, scheint keinen zu stören.
Stand: Februar 2014
Tags: Solvency II Anforderungen Rahmen Richtlinie Versicherungen Pensionskassen Immobilien BaFin Basel III Standardmodell Eigenkapital Säulen