Der aktuelle Trend zum Teilen hat viele Namen - Ökonomen nennen es Sharing Economy, Idealisten reden von Collaborative Consumption oder etwas holprig auf Deutsch: Kokonsum. Für die vermeintlich entstehende neue Gesellschaftsform prägte Jeremy Rifkin bereits im Jahr 2000 den Begriff der Zugangsgesellschaft (access society).
Mittlerweile hat das Prinzip des kommerziellen Teilens scheinbar alle Lebensbereiche erfasst. Sharing ist Trend und verheißt eine Auferstehung der Community - denn schließlich geht Teilen ja nur in der Gemeinschaft. Es scheint nicht weniger als eine Revolution des Kapitalismus und des gesellschaftlichen Zusammenlebens stattzufinden. Weg von der sinnlosen Konsumgesellschaft, weg vom egoistischen Individuum, hin zur sozialen Gemeinschaft die verantwortungsbewusst mit endlichen Ressourcen umgeht.
Jeremy Rifkin sieht mit der Sharing Economy denn auch bereits das Ende des Kapitalismus gekommen. Die vermeintlich gestrige Ökonomie des Eigentums und des Besitzes wird seiner Vision nach abgelöst durch eine globale, gemeinschaftlich orientierte Gesellschaft in der Teilen mehr Wert beigemessen wird als dem Besitz.
Allerdings sind es gar nicht unbedingt ideelle Motive, die Konsumenten z.B. zum Carsharer werden lassen. Großstädter, die sich mittlerweile lieber ein Auto leihen, statt eines zu kaufen, tun dies mitunter schlicht weil der Besitz des eigenen Kfz mehr Arbeit macht. Wenn Carsharing bequem und effizient ist und es damit möglich macht für ein paar Euro pro Fahrt ein jederzeit vollgetanktes und vollkaskoversichertes Auto zur Verfügung zu haben, bietet der tatsächliche Besitz eines Autos keine Vorteile mehr.
Darüber hinaus setzt der Wechsel vom Besitz zum Zugang die Gesetze des Kapitalismus nicht gänzlich außer Kraft. Wer anfangs kein Geld besitzt, für den ist auch in Zukunft der Zugang zum Sharing nur eingeschränkt möglich. Außerdem gibt bei näherer Betrachtung beim scheinbar selbstlosen Teilen paradoxerweise kaum jemand etwas freiwillig ab. Oft wird eben nicht geteilt aus der Freude am Teilen und Schenken an sich, sondern um eine Gegenleistung zu bekommen – und sei es auch nur eine gute Bewertung oder ein bisschen Aufmerksamkeit der Community.
Mehr noch: In einer Gesellschaft der wechselseitigen Bewertungen und totalen Transparenz ist zweckfreie Freundlichkeit kaum mehr möglich. Menschen verhalten sich plötzlich freundlich, nicht weil sie es wollen, sondern um bessere Bewertungen zu erhalten. Die Freundlichkeit wird kommerzialisiert. Beispiel Airbnb: Wo sich jedes Zuhause in ein Hotel verwandelt und die Gastgeber nach guten Bewertungen gieren, wird uneigennützige Gastfreundschaft ersetzt durch ökonomisch motiviertes Handeln.
Durch den generell leichteren Zugang, startet darüber hinaus in einigen Berufen ein schmerzhafter Ausleseprozess. Insbesondere Tätigkeiten, die lediglich schnell zu erlernendes Wissen und nur wenige handwerkliche Fertigkeiten voraussetzen, unterliegen plötzlich einem harten Verdrängungswettbewerb. Der mittelmäßige Journalist wird vom Freizeit-Blogger, der wenig kreative Photograph vom privaten Foto-Enthusiasten und der ausgebildete, aber didaktisch minderbegabte Lehrer vom engagierten MOOC-Tutor überholt.
Die großflächige Beteiligung Vieler, in Kombination mit dem leichten und oft freien Zugang lässt den Qualitätsstandard insgesamt steigen. Die durchschnittliche Massenqualität gibt es überall umsonst. Für alle, die in ihrem Job lediglich mittelmäßige Ergebnisse liefern, wird dies zur existenziellen Bedrohung. Überleben kann in dem System des grenzenlosen Teilens letztlich nur derjenige, der Qualität jenseits der Massenware liefert und die Community damit noch zur Zahlung bewegen kann. In der Folge bedeutet dies, dass nur die wirklich talentierten und engagierten Menschen mit ihrer Arbeit noch genug Geld zum Leben verdienen können.
Auch in der scheinbar altruistischen Welt der Sharing-Ökonomie herrscht die Logik des Kapitalismus, denn sie ist bei genauerer Betrachtung nichts anderes als die totale Dienstleistungsgesellschaft. Und so birgt die Ökonomie des Teilens letztendlich auch eine große Gefahr der Selbstausbeutung und einer Totalkommerzialisierung des Lebens.
Stand: September 2014
Tags: Wissen Zugang Gesellschaft Share Sharing Economy Carsharing Autonetzer Uber Airbnb Digitale Tausch Angebote Börse Initiativen Circler leihen tauschen Geld Ressourcen Nachhaltigkeit Wirtschaft Wachstums Kapitalismus Neoliberalismus Selbst Optimierung Ausbeutung Kommerzialisierung Kritik Konsum Terror des Teilens Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft Jeremy Rifkin Rachel Botsman kokonsum.org
Mittlerweile hat das Prinzip des kommerziellen Teilens scheinbar alle Lebensbereiche erfasst. Sharing ist Trend und verheißt eine Auferstehung der Community - denn schließlich geht Teilen ja nur in der Gemeinschaft. Es scheint nicht weniger als eine Revolution des Kapitalismus und des gesellschaftlichen Zusammenlebens stattzufinden. Weg von der sinnlosen Konsumgesellschaft, weg vom egoistischen Individuum, hin zur sozialen Gemeinschaft die verantwortungsbewusst mit endlichen Ressourcen umgeht.
Jeremy Rifkin sieht mit der Sharing Economy denn auch bereits das Ende des Kapitalismus gekommen. Die vermeintlich gestrige Ökonomie des Eigentums und des Besitzes wird seiner Vision nach abgelöst durch eine globale, gemeinschaftlich orientierte Gesellschaft in der Teilen mehr Wert beigemessen wird als dem Besitz.
Allerdings sind es gar nicht unbedingt ideelle Motive, die Konsumenten z.B. zum Carsharer werden lassen. Großstädter, die sich mittlerweile lieber ein Auto leihen, statt eines zu kaufen, tun dies mitunter schlicht weil der Besitz des eigenen Kfz mehr Arbeit macht. Wenn Carsharing bequem und effizient ist und es damit möglich macht für ein paar Euro pro Fahrt ein jederzeit vollgetanktes und vollkaskoversichertes Auto zur Verfügung zu haben, bietet der tatsächliche Besitz eines Autos keine Vorteile mehr.
Darüber hinaus setzt der Wechsel vom Besitz zum Zugang die Gesetze des Kapitalismus nicht gänzlich außer Kraft. Wer anfangs kein Geld besitzt, für den ist auch in Zukunft der Zugang zum Sharing nur eingeschränkt möglich. Außerdem gibt bei näherer Betrachtung beim scheinbar selbstlosen Teilen paradoxerweise kaum jemand etwas freiwillig ab. Oft wird eben nicht geteilt aus der Freude am Teilen und Schenken an sich, sondern um eine Gegenleistung zu bekommen – und sei es auch nur eine gute Bewertung oder ein bisschen Aufmerksamkeit der Community.
Mehr noch: In einer Gesellschaft der wechselseitigen Bewertungen und totalen Transparenz ist zweckfreie Freundlichkeit kaum mehr möglich. Menschen verhalten sich plötzlich freundlich, nicht weil sie es wollen, sondern um bessere Bewertungen zu erhalten. Die Freundlichkeit wird kommerzialisiert. Beispiel Airbnb: Wo sich jedes Zuhause in ein Hotel verwandelt und die Gastgeber nach guten Bewertungen gieren, wird uneigennützige Gastfreundschaft ersetzt durch ökonomisch motiviertes Handeln.
Durch den generell leichteren Zugang, startet darüber hinaus in einigen Berufen ein schmerzhafter Ausleseprozess. Insbesondere Tätigkeiten, die lediglich schnell zu erlernendes Wissen und nur wenige handwerkliche Fertigkeiten voraussetzen, unterliegen plötzlich einem harten Verdrängungswettbewerb. Der mittelmäßige Journalist wird vom Freizeit-Blogger, der wenig kreative Photograph vom privaten Foto-Enthusiasten und der ausgebildete, aber didaktisch minderbegabte Lehrer vom engagierten MOOC-Tutor überholt.
Die großflächige Beteiligung Vieler, in Kombination mit dem leichten und oft freien Zugang lässt den Qualitätsstandard insgesamt steigen. Die durchschnittliche Massenqualität gibt es überall umsonst. Für alle, die in ihrem Job lediglich mittelmäßige Ergebnisse liefern, wird dies zur existenziellen Bedrohung. Überleben kann in dem System des grenzenlosen Teilens letztlich nur derjenige, der Qualität jenseits der Massenware liefert und die Community damit noch zur Zahlung bewegen kann. In der Folge bedeutet dies, dass nur die wirklich talentierten und engagierten Menschen mit ihrer Arbeit noch genug Geld zum Leben verdienen können.
Auch in der scheinbar altruistischen Welt der Sharing-Ökonomie herrscht die Logik des Kapitalismus, denn sie ist bei genauerer Betrachtung nichts anderes als die totale Dienstleistungsgesellschaft. Und so birgt die Ökonomie des Teilens letztendlich auch eine große Gefahr der Selbstausbeutung und einer Totalkommerzialisierung des Lebens.
Stand: September 2014
Tags: Wissen Zugang Gesellschaft Share Sharing Economy Carsharing Autonetzer Uber Airbnb Digitale Tausch Angebote Börse Initiativen Circler leihen tauschen Geld Ressourcen Nachhaltigkeit Wirtschaft Wachstums Kapitalismus Neoliberalismus Selbst Optimierung Ausbeutung Kommerzialisierung Kritik Konsum Terror des Teilens Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft Jeremy Rifkin Rachel Botsman kokonsum.org