Der Begriff Helikopter-Eltern bezeichnet überfürsorgliche Eltern, die sich ständig entweder physisch in der Nähe ihrer Kinder aufhalten oder für diese zumindest z.B. via Mobiltelefon jederzeit erreichbar sind. Der Erziehungsstil ist geprägt von Überbehütung und exzessiver Einmischung in die Angelegenheiten des Nachwuchses.
Oberflächlich von außen betrachtet, wirkt das Familienleben dieser Kinder mit fürsorglichen Eltern nahezu perfekt. Die Eltern sind engagiert, sie besuchen jede Schulaufführung/ jedes Fußballspiel ihrer Kinder, sie kennen alle Freunde ihrer Kinder nebst Berufe der Eltern. Wenn die Schulleistungen abfallen, organisieren sie Nachhilfe. Und natürlich sind sie stets für ihre Kinder erreichbar.
Es ist absolut notwendig, dass sich Eltern für ihr Kind interessieren und es unterstützen. Helikopter-Eltern gehen jedoch weiter. Sie versuchen, es ihrem Nachwuchs in allen Belangen so leicht wie möglich zu machen, ihn vor jeglichen Fehlern zu bewahren und vor allen vermeintlichen Gefahren zu beschützen. Da von Helikopter-Eltern meist das eigene Zuhause als einzig sicherer Ort eingestuft wird, versuchen sie oft den Aufenthalt der Kinder außerhalb des vermeintlich sicheren Zuhauses nach Möglichkeit zu begrenzen.
Passiver Konsum problematisch
Das heimzentrierte Leben der Kinder zieht einen primär passiven Konsum nach sich. Laut einer empirischen Studie der Universität von Kalifornien verbringen Kinder von Mittelschichtfamilien in Los Angeles inzwischen 90% ihrer Freizeit zu Hause vor dem Fernseher, dem Computer oder mit Videospielen. Viele amerikanische Kinder bewegen sich fast nur noch in einem vollständig von Erwachsenen kontrollierten Rahmen. Leider erzeugt diese ständige Überwachung der Kinder durch die Eltern eine subtile Form von Dauerstress. Zudem gibt es kaum noch Raum für das freie, unkontrollierte Spielen unter Kindern als wichtiger Bestandteil des Erwachsenwerdens. Dabei ist es für Kinder von fundamentaler Bedeutung mit anderen Kindern alleine draußen spielen und dabei Grenzen auszutesten und auch Risiken eingehen zu können. Dies trainiert nicht nur motorische Fähigkeiten zu entwickeln, sondern es lehrt auch, intensive negative Gefühle wie etwa Angst oder Wut zu verarbeiten oder ganz generell Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und soziale Fähigkeiten zu trainieren. [1]
Natürlich sind die Befunde aus den autozentrierten USA nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragbar. Allerdings gaben in einer Umfrage auch 71% der Eltern in Berlin an, dass ihr Kind noch nie ohne Hilfe auf einen Baum geklettert sei. [2]
Vermehrt im eigenen Heim verbrachte Zeit führt nicht nur zu weniger Bewegung, sondern tendenziell gleichzeitig zu einer erhöhten Nahrungsaufnahme. Die leichte Verfügbarkeit von Lebensmitteln allgemein, meist aber auch hochkalorischem Junk Food im Besonderen führt letztlich zu Gewichtszunahme. Wird dadurch Übergewicht etabliert, kann dieses in der Folge im Erwachsenenalter zu gesundheitlichen und beruflichen Nachteilen führen.
Massive Unsicherheit und irrationale Ängste der Eltern
Die zentralen Motive für das zwanghafte Verhalten der Helikopter-Eltern sind ihre eigene massive Unsicherheit in Kombination mit unrealistischer Gefahreneinschätzung. So werden zum Beispiel die Risiken des Straßenverkehrs verzerrt wahrgenommen. Die Unfallstatistik wies für Deutschland vor 40 Jahren noch 22.000 Verkehrstote im Jahr aus, mittlerweile ist die Zahl auf rund 4000 im Jahr gesunken. Die Zahl der tödlichen Schulwegunfälle ist in Deutschland seit dem Jahr 2003 von 121 auf nur noch 37 im Jahr 2013 zurückgegangen. Obwohl das Verkehrsaufkommen insgesamt stark gestiegen ist, sind schwere Unfälle absolut seltener. Das Risiko eines schweren Unfalles ist objektiv betrachtet somit massiv gesunken. Auch die Angst vor einer Kindesentführung oder Missbrauch durch einen Fremden ist statistisch nicht zu begründen. Kindesmissbrauch und -entführung finden zu 90% der Fälle im engeren familiären Umfeld statt. Wenn Wachsamkeit geboten erscheint, sollte diese also primär eher innerhalb der Familie erfolgen.
Dennoch legitimieren Helikopter-Eltern mit ihrem Wahn des immer und überall gefährdeten Kindes eine Kultur der Überwachung des familiären Lebens. Die Erschaffung der Illusion der Sicherheit durch totale Kontrolle verschafft meist insbesondere der Mutter eine gewisse Beruhigung. Letztlich ist dies natürlich eine sich immer weiter drehende Spirale. Absolute Sicherheit gibt es nicht, und so muss die Überwachung immer engmaschiger werden um Momente der Erleichterung zu produzieren. Letztlich geht es nicht um die Bedürfnisse des Kindes, sondern um die Befriedigung der psychologischen Zwänge der Mutter mit Angststörung. Der Grund für die Zweifel an der Kompetenz ihrer Kinder sind die eigenen Selbstzweifel. Helikopter-Eltern trauen sich offensichtlich nicht zu, dass sie ihrem Kind die notwendige Kompetenz zur Krisenbewältigung vermittelt haben. Die Selbstzweifel werden auf das Kind übertragen.
Die pausenlose Überwachung hat dramatische Folgen. Helikopter Eltern geben ihren Kindern permanent subtil zu verstehen, dass die Welt da draußen eine ständige Gefahr darstellt und sie ihnen darüber hinaus nicht zutrauen eigene Entscheidungen zu treffen. Letztlich mündet dies in der noch generellen Botschaft: Ich vertraue dir nicht. Auch wenn die Installation von Überwachungsapplikationen wie Teen Safe aus vorgeblicher elterlicher Sorge geschehen, so sind sie in letzter Konsequenz schlicht ein enormer Vertrauensbruch.
Allerdings brauchen Kinder für eine gesunde Entwicklung das Erlebnis, etwas Schwieriges oder Problematisches vollkommen eigenständig bewältigt haben. Sie wollen von früh an eigene Erfahrungen machen und sich ausprobieren, sie wollen auf etwas stolz sein können. Das erste Mal alleine die Schuhe zubinden, zur Schule gehen (vielleicht sogar mit dem Rad dorthin fahren!), etc. - das sind wichtige und prägende Stationen in der Entwicklung eines Kindes. Kindern von Helikopter Eltern werden Erfolgserlebnisse wie diese jedoch immer wieder verwehrt.
Zudem schaffen Helikopter-Eltern durch ihre eigene Ängstlichkeit und Übervorsicht eine Geisteshaltung, welche aktives Entdecken für das Kind generell schwierig macht, denn Exploration erfolgt nur bei guter Bindung. Helikopter-Eltern lassen aber nur sehr wenig Selbstständigkeit zu und behindern somit die volle Entfaltung des Kindes. Die Selbstwirksamkeit wird gehemmt, was in der Folge langfristig auch der Resilenzentwicklung schadet.
Stand: April 2018
[1] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/familie/helikopter-eltern-kinder-brauchen-auch-ruhe-13645923.html
[2] http://www.sueddeutsche.de/leben/helikopter-eltern-kinder-bleibt-im-haus-1.2380701
Tags: Hubschrauber Helikopter Eltern Mütter Raben Mutter Bemutterung Glucken Überbehütung Shuttle-Kids Schulbus Soccer Mom Narzisst Angst Verantwortung Selbstständigkeit Freiheit Resilienz Selbstwirksamkeit Josef Kraus Curling Helicopter Parents
Oberflächlich von außen betrachtet, wirkt das Familienleben dieser Kinder mit fürsorglichen Eltern nahezu perfekt. Die Eltern sind engagiert, sie besuchen jede Schulaufführung/ jedes Fußballspiel ihrer Kinder, sie kennen alle Freunde ihrer Kinder nebst Berufe der Eltern. Wenn die Schulleistungen abfallen, organisieren sie Nachhilfe. Und natürlich sind sie stets für ihre Kinder erreichbar.
Es ist absolut notwendig, dass sich Eltern für ihr Kind interessieren und es unterstützen. Helikopter-Eltern gehen jedoch weiter. Sie versuchen, es ihrem Nachwuchs in allen Belangen so leicht wie möglich zu machen, ihn vor jeglichen Fehlern zu bewahren und vor allen vermeintlichen Gefahren zu beschützen. Da von Helikopter-Eltern meist das eigene Zuhause als einzig sicherer Ort eingestuft wird, versuchen sie oft den Aufenthalt der Kinder außerhalb des vermeintlich sicheren Zuhauses nach Möglichkeit zu begrenzen.
Passiver Konsum problematisch
Das heimzentrierte Leben der Kinder zieht einen primär passiven Konsum nach sich. Laut einer empirischen Studie der Universität von Kalifornien verbringen Kinder von Mittelschichtfamilien in Los Angeles inzwischen 90% ihrer Freizeit zu Hause vor dem Fernseher, dem Computer oder mit Videospielen. Viele amerikanische Kinder bewegen sich fast nur noch in einem vollständig von Erwachsenen kontrollierten Rahmen. Leider erzeugt diese ständige Überwachung der Kinder durch die Eltern eine subtile Form von Dauerstress. Zudem gibt es kaum noch Raum für das freie, unkontrollierte Spielen unter Kindern als wichtiger Bestandteil des Erwachsenwerdens. Dabei ist es für Kinder von fundamentaler Bedeutung mit anderen Kindern alleine draußen spielen und dabei Grenzen auszutesten und auch Risiken eingehen zu können. Dies trainiert nicht nur motorische Fähigkeiten zu entwickeln, sondern es lehrt auch, intensive negative Gefühle wie etwa Angst oder Wut zu verarbeiten oder ganz generell Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und soziale Fähigkeiten zu trainieren. [1]
Natürlich sind die Befunde aus den autozentrierten USA nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragbar. Allerdings gaben in einer Umfrage auch 71% der Eltern in Berlin an, dass ihr Kind noch nie ohne Hilfe auf einen Baum geklettert sei. [2]
Vermehrt im eigenen Heim verbrachte Zeit führt nicht nur zu weniger Bewegung, sondern tendenziell gleichzeitig zu einer erhöhten Nahrungsaufnahme. Die leichte Verfügbarkeit von Lebensmitteln allgemein, meist aber auch hochkalorischem Junk Food im Besonderen führt letztlich zu Gewichtszunahme. Wird dadurch Übergewicht etabliert, kann dieses in der Folge im Erwachsenenalter zu gesundheitlichen und beruflichen Nachteilen führen.
Massive Unsicherheit und irrationale Ängste der Eltern
Die zentralen Motive für das zwanghafte Verhalten der Helikopter-Eltern sind ihre eigene massive Unsicherheit in Kombination mit unrealistischer Gefahreneinschätzung. So werden zum Beispiel die Risiken des Straßenverkehrs verzerrt wahrgenommen. Die Unfallstatistik wies für Deutschland vor 40 Jahren noch 22.000 Verkehrstote im Jahr aus, mittlerweile ist die Zahl auf rund 4000 im Jahr gesunken. Die Zahl der tödlichen Schulwegunfälle ist in Deutschland seit dem Jahr 2003 von 121 auf nur noch 37 im Jahr 2013 zurückgegangen. Obwohl das Verkehrsaufkommen insgesamt stark gestiegen ist, sind schwere Unfälle absolut seltener. Das Risiko eines schweren Unfalles ist objektiv betrachtet somit massiv gesunken. Auch die Angst vor einer Kindesentführung oder Missbrauch durch einen Fremden ist statistisch nicht zu begründen. Kindesmissbrauch und -entführung finden zu 90% der Fälle im engeren familiären Umfeld statt. Wenn Wachsamkeit geboten erscheint, sollte diese also primär eher innerhalb der Familie erfolgen.
Dennoch legitimieren Helikopter-Eltern mit ihrem Wahn des immer und überall gefährdeten Kindes eine Kultur der Überwachung des familiären Lebens. Die Erschaffung der Illusion der Sicherheit durch totale Kontrolle verschafft meist insbesondere der Mutter eine gewisse Beruhigung. Letztlich ist dies natürlich eine sich immer weiter drehende Spirale. Absolute Sicherheit gibt es nicht, und so muss die Überwachung immer engmaschiger werden um Momente der Erleichterung zu produzieren. Letztlich geht es nicht um die Bedürfnisse des Kindes, sondern um die Befriedigung der psychologischen Zwänge der Mutter mit Angststörung. Der Grund für die Zweifel an der Kompetenz ihrer Kinder sind die eigenen Selbstzweifel. Helikopter-Eltern trauen sich offensichtlich nicht zu, dass sie ihrem Kind die notwendige Kompetenz zur Krisenbewältigung vermittelt haben. Die Selbstzweifel werden auf das Kind übertragen.
Die pausenlose Überwachung hat dramatische Folgen. Helikopter Eltern geben ihren Kindern permanent subtil zu verstehen, dass die Welt da draußen eine ständige Gefahr darstellt und sie ihnen darüber hinaus nicht zutrauen eigene Entscheidungen zu treffen. Letztlich mündet dies in der noch generellen Botschaft: Ich vertraue dir nicht. Auch wenn die Installation von Überwachungsapplikationen wie Teen Safe aus vorgeblicher elterlicher Sorge geschehen, so sind sie in letzter Konsequenz schlicht ein enormer Vertrauensbruch.
Allerdings brauchen Kinder für eine gesunde Entwicklung das Erlebnis, etwas Schwieriges oder Problematisches vollkommen eigenständig bewältigt haben. Sie wollen von früh an eigene Erfahrungen machen und sich ausprobieren, sie wollen auf etwas stolz sein können. Das erste Mal alleine die Schuhe zubinden, zur Schule gehen (vielleicht sogar mit dem Rad dorthin fahren!), etc. - das sind wichtige und prägende Stationen in der Entwicklung eines Kindes. Kindern von Helikopter Eltern werden Erfolgserlebnisse wie diese jedoch immer wieder verwehrt.
Zudem schaffen Helikopter-Eltern durch ihre eigene Ängstlichkeit und Übervorsicht eine Geisteshaltung, welche aktives Entdecken für das Kind generell schwierig macht, denn Exploration erfolgt nur bei guter Bindung. Helikopter-Eltern lassen aber nur sehr wenig Selbstständigkeit zu und behindern somit die volle Entfaltung des Kindes. Die Selbstwirksamkeit wird gehemmt, was in der Folge langfristig auch der Resilenzentwicklung schadet.
Stand: April 2018
[1] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/familie/helikopter-eltern-kinder-brauchen-auch-ruhe-13645923.html
[2] http://www.sueddeutsche.de/leben/helikopter-eltern-kinder-bleibt-im-haus-1.2380701
Tags: Hubschrauber Helikopter Eltern Mütter Raben Mutter Bemutterung Glucken Überbehütung Shuttle-Kids Schulbus Soccer Mom Narzisst Angst Verantwortung Selbstständigkeit Freiheit Resilienz Selbstwirksamkeit Josef Kraus Curling Helicopter Parents