Schwerwiegende oder mißbrauchsanfällige Eingriffe in Rechtsgüter eines Individuums sind in Deutschland von einer richterlichen Anordnung oder Genehmigung abhängig.
Dies soll vor polizeilicher Willkür bei schweren Eingriffen wie z.B. bei Wohnungsdurchsuchungen und Telefonüberwachungen, sowie DNS-Analysen, körperlichen Eingriffen und Freiheitsentziehungen schützen.
Politiker verweisen gern auf die Notwendigkeit der richterlichen Anordnung um den Eindruck eines starken Schutzes der Bürgerrechte zu erwecken. So versucht z.B. Sigmar Gabriel dies als Argument seiner Befürwortung der Vorratsdatenspeicherung zu nutzen: "Das von einem SPD-Parteitag beschlossene Konzept zur Vorratsdatenspeicherung sieht vor, dass bei einem Verdacht auf schwere Straftaten von einem Richter entschieden werden kann, dass auf bei den Providern gespeicherte Daten zugegriffen werden kann." [1]
Tatsächlich ist jedoch allein aufgrund der bekannten Überlastung der deutschen Gerichte zu vermuten, dass viele Richter die schwerwiegenden Eingriffe in die Grundrechte der Bürger nach einer eher oberflächlichen Prüfung anordnen/ genehmigen. Obwohl dies nach dem Sinn des Richtervorbehaltes gerade nicht der Fall sein sollte, ist die pauschale Unterschrift aus Sicht des Richters auch aus einem anderen Grund absolut logisch und daher naheliegend:
Es gibt vier mögliche Konstellationen:
1) Richter unterschreibt, Verdächtiger ist schuldig.
2) Richter unterschreibt, Verdächtiger ist nicht schuldig.
3) Richter unterschreibt nicht, Verdächtiger ist schuldig.
4) Richter unterschreibt nicht, Verdächtiger ist nicht schuldig.
Im ersten und vierten Fall ist alles in Ordnung. In Konstellation zwei wird der Verdächtige zu Unrecht beschuldigt. In den meisten Fällen wird es dieser aus Scham oder Hilflosigkeit gegenüber einer gefühlt übermächtigen Justiz jedoch nicht wagen zu protestieren. Der übliche Kollateralschaden bei (polizeilichen) Ermittlungen - ein „Einzelfall“ ohne Lobby. Brisant wird es für den Richter nur in Konstellation drei: wenn er sich geweigert hat zu unterschreiben und der Verdächtige sich später als tatsächlich schuldig herausstellt. Aus Sicht des Richters ist es folglich sicherer, die von der Polizei gewünschten Ermittlungen immer zu genehmigen und einfach zu unterschreiben.
Für die Richter haben Fälle von eher leichtfertig genehmigten Eingriffen in die Bürgerrechte selten unangenehme Konsequenzen. Eine Ausnahme war die Funkzellenabfrage zur Überwachung einer Nazidemonstration in Dresden im Februar 2011. Offiziell sollten mit der Überwachungsaktion Personen gefunden werden, die zuvor Polizisten angegriffen hatten. Tatsächlich hat die Dresdner Polizei damals nicht nur die Mobilfunkverbindungen aller Demonstranten, sondern auch die der unbeteiligten ca.12.000 (!) Anwohner des überwachten Gebietes ausgespäht. Darüber hinaus wurden die gewonnen Daten in mehreren Fällen auch für Ermittlungen benutzt, die nichts mit der vorgeblichen Straftat -schwerer Landfriedensbruch- zu tun hatten. Da auch bei der Demonstration anwesende Journalisten, Anwälte und Politiker zu den bespitzelten Personen gehörten, entstand nach der Aktion öffentlicher Druck auf die Behörden. Die Oberstaatsanwaltschaft musste die Fehlentscheidung bezüglich der Funkzellenabfrage letztlich eingestehen und den Ermittlern der Polizei untersagen weiterhin Mobilfunkdaten in entsprechende Ermittlungsakten zu übernehmen. [2]
Im April 2011 drängte die Kriminalpolizei in Hamburg darauf, Mobilfunkdaten im Zusammenhang mit nächtlichen Autobrandstiftungen nutzen zu dürfen. Die zuständigen Richter lehnten dies aber als "unverhältnismäßig" ab, da diese Maßnahme nur zulässig sei, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Täter durch eine Funkzellenabfrage ermittelt werden können. Inwieweit diese Entscheidung den kurz zuvor stattgefundenen Ereignissen in Dresden geschuldet war, wissen nur die betreffenden Richter.
Aus der Antwort auf eine Große Anfrage der Piratenpartei geht hervor, dass die Polizei von Schleswig-Holstein offenbar im großen Stil Funkzellenabfragen eingesetzt hat. In den Jahren 2009 bis 2013 wurden anscheinend insgesamt 850 Funkzellenabfragen richterlich genehmigt und die Verbindungs- und Standortdaten von Mobilfunkteilnehmern erfasst. [3]
Dies soll vor polizeilicher Willkür bei schweren Eingriffen wie z.B. bei Wohnungsdurchsuchungen und Telefonüberwachungen, sowie DNS-Analysen, körperlichen Eingriffen und Freiheitsentziehungen schützen.
Politiker verweisen gern auf die Notwendigkeit der richterlichen Anordnung um den Eindruck eines starken Schutzes der Bürgerrechte zu erwecken. So versucht z.B. Sigmar Gabriel dies als Argument seiner Befürwortung der Vorratsdatenspeicherung zu nutzen: "Das von einem SPD-Parteitag beschlossene Konzept zur Vorratsdatenspeicherung sieht vor, dass bei einem Verdacht auf schwere Straftaten von einem Richter entschieden werden kann, dass auf bei den Providern gespeicherte Daten zugegriffen werden kann." [1]
Tatsächlich ist jedoch allein aufgrund der bekannten Überlastung der deutschen Gerichte zu vermuten, dass viele Richter die schwerwiegenden Eingriffe in die Grundrechte der Bürger nach einer eher oberflächlichen Prüfung anordnen/ genehmigen. Obwohl dies nach dem Sinn des Richtervorbehaltes gerade nicht der Fall sein sollte, ist die pauschale Unterschrift aus Sicht des Richters auch aus einem anderen Grund absolut logisch und daher naheliegend:
Es gibt vier mögliche Konstellationen:
1) Richter unterschreibt, Verdächtiger ist schuldig.
2) Richter unterschreibt, Verdächtiger ist nicht schuldig.
3) Richter unterschreibt nicht, Verdächtiger ist schuldig.
4) Richter unterschreibt nicht, Verdächtiger ist nicht schuldig.
Im ersten und vierten Fall ist alles in Ordnung. In Konstellation zwei wird der Verdächtige zu Unrecht beschuldigt. In den meisten Fällen wird es dieser aus Scham oder Hilflosigkeit gegenüber einer gefühlt übermächtigen Justiz jedoch nicht wagen zu protestieren. Der übliche Kollateralschaden bei (polizeilichen) Ermittlungen - ein „Einzelfall“ ohne Lobby. Brisant wird es für den Richter nur in Konstellation drei: wenn er sich geweigert hat zu unterschreiben und der Verdächtige sich später als tatsächlich schuldig herausstellt. Aus Sicht des Richters ist es folglich sicherer, die von der Polizei gewünschten Ermittlungen immer zu genehmigen und einfach zu unterschreiben.
Für die Richter haben Fälle von eher leichtfertig genehmigten Eingriffen in die Bürgerrechte selten unangenehme Konsequenzen. Eine Ausnahme war die Funkzellenabfrage zur Überwachung einer Nazidemonstration in Dresden im Februar 2011. Offiziell sollten mit der Überwachungsaktion Personen gefunden werden, die zuvor Polizisten angegriffen hatten. Tatsächlich hat die Dresdner Polizei damals nicht nur die Mobilfunkverbindungen aller Demonstranten, sondern auch die der unbeteiligten ca.12.000 (!) Anwohner des überwachten Gebietes ausgespäht. Darüber hinaus wurden die gewonnen Daten in mehreren Fällen auch für Ermittlungen benutzt, die nichts mit der vorgeblichen Straftat -schwerer Landfriedensbruch- zu tun hatten. Da auch bei der Demonstration anwesende Journalisten, Anwälte und Politiker zu den bespitzelten Personen gehörten, entstand nach der Aktion öffentlicher Druck auf die Behörden. Die Oberstaatsanwaltschaft musste die Fehlentscheidung bezüglich der Funkzellenabfrage letztlich eingestehen und den Ermittlern der Polizei untersagen weiterhin Mobilfunkdaten in entsprechende Ermittlungsakten zu übernehmen. [2]
Im April 2011 drängte die Kriminalpolizei in Hamburg darauf, Mobilfunkdaten im Zusammenhang mit nächtlichen Autobrandstiftungen nutzen zu dürfen. Die zuständigen Richter lehnten dies aber als "unverhältnismäßig" ab, da diese Maßnahme nur zulässig sei, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Täter durch eine Funkzellenabfrage ermittelt werden können. Inwieweit diese Entscheidung den kurz zuvor stattgefundenen Ereignissen in Dresden geschuldet war, wissen nur die betreffenden Richter.
Aus der Antwort auf eine Große Anfrage der Piratenpartei geht hervor, dass die Polizei von Schleswig-Holstein offenbar im großen Stil Funkzellenabfragen eingesetzt hat. In den Jahren 2009 bis 2013 wurden anscheinend insgesamt 850 Funkzellenabfragen richterlich genehmigt und die Verbindungs- und Standortdaten von Mobilfunkteilnehmern erfasst. [3]
Auch der Fall redtube.com verdeutlicht wie einfach es ist, sich ein rechtlich fragwürdiges Vorgehen von einem deutschen Gericht genehmigen zu lassen. Es war von Anfang an nicht nachvollziehbar, warum das Landgericht Köln der Firma The Archive AG überhaupt die Genehmigung zur Datenabfrage gegeben hatte – denn nach allgemeiner Rechtsauffassung ist bloßes Streaming von Filmen keine Urheberrechtsverletzung. Das Landgericht Köln segnete trotzdem mindestens 62 der insgesamt 90 Anträge der Firma ab und ermächtigte diese damit bei der Dt. Telekom die protokollierten IP-Adressenden den reale Namen und Adressen zuordnen zu lassen.
Im Januar 2014 gab das Landgericht Köln schließlich den Beschwerden von mehreren Betroffenen statt und musste einräumen, dass „dem Antrag der 'The Archive AG' auf Herausgabe der bestimmten IP-Adressen zuzuordnenden Namen und Anschriften von Kunden der Deutschen Telekom nicht [hätte] entsprochen werden dürfen." In der korrigierten Einschätzung der Sachlage kommen die Richter zu dem Schluss, dass beim bloßen Streaming von Filmen keine offensichtliche Urheberrechtsverletzung vorliegt. [4]
Im Januar 2014 gab das Landgericht Köln schließlich den Beschwerden von mehreren Betroffenen statt und musste einräumen, dass „dem Antrag der 'The Archive AG' auf Herausgabe der bestimmten IP-Adressen zuzuordnenden Namen und Anschriften von Kunden der Deutschen Telekom nicht [hätte] entsprochen werden dürfen." In der korrigierten Einschätzung der Sachlage kommen die Richter zu dem Schluss, dass beim bloßen Streaming von Filmen keine offensichtliche Urheberrechtsverletzung vorliegt. [4]
Stand: Januar 2014
[1] https://www.facebook.com/sigmar.gabriel/posts/693844927314899
[2] Später entschied das Landgericht Dresden, dass die Auswertung der Mobilfunkdatendaten damals illegal war und sämtliche bei der Überwachungsmaßnahme erhobenen Daten gelöscht werden müssen.
[3] www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/0200/drucksache-18-0244.pdf
[4] Urteil Az.: 209 O 188/13 - http://www.lg-koeln.nrw.de/presse/Pressemitteilungen/2014_01_27---Abhilfeentscheidung-Streaming-Verfahren.pdf
Tags: Grund Gesetz Rechte Richtervorbehalt Wohnung Durchsuchung Freiheitsentziehungen körperliche Eingriffe digitale Rasterfahndung Telefon Handy Überwachungen Mobilfunk Daten Funkzellenabfrage FZA Staatsanwaltschaft Strafverfahren Richter Justiz Recht Verwaltung Ermittlung Verfahren Polizei
[1] https://www.facebook.com/sigmar.gabriel/posts/693844927314899
[2] Später entschied das Landgericht Dresden, dass die Auswertung der Mobilfunkdatendaten damals illegal war und sämtliche bei der Überwachungsmaßnahme erhobenen Daten gelöscht werden müssen.
[3] www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/0200/drucksache-18-0244.pdf
[4] Urteil Az.: 209 O 188/13 - http://www.lg-koeln.nrw.de/presse/Pressemitteilungen/2014_01_27---Abhilfeentscheidung-Streaming-Verfahren.pdf
Tags: Grund Gesetz Rechte Richtervorbehalt Wohnung Durchsuchung Freiheitsentziehungen körperliche Eingriffe digitale Rasterfahndung Telefon Handy Überwachungen Mobilfunk Daten Funkzellenabfrage FZA Staatsanwaltschaft Strafverfahren Richter Justiz Recht Verwaltung Ermittlung Verfahren Polizei