Hausunterricht ist eine Form der Bildung und Erziehung, bei der die Kinder von einer Bezugsperson im häuslichen Umfeld
unterrichtet werden. Die konkrete Praxis des Hausunterrichts kann sehr unterschiedlich aussehen. Das Spektrum reicht von stark strukturierten, an traditionellem Schulunterricht orientierten Formen bis hin zu sehr offenen Konzepten wie dem Freien Lernen.
Die am häufigsten genannten Gründe für Hausunterricht:
Staatliches Bildungsmonopol - Schulpflicht
Laut Artikel 6, Absatz 2 des Grundgesetzes sind die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht. Allerdings entschied das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1986, dass die allgemeine Schulpflicht und die sich daraus ergebenden weiteren Pflichten in zulässiger Weise das im Grundgesetz gewährleistete elterliche Bestimmungsrecht über die Erziehung des Kindes beschränken.
Es ist zu beachten, dass in Deutschland nicht lediglich eine Bildungs- oder Unterrichtspflicht besteht, sondern eine ausdrückliche Schulbesuchspflicht. In Deutschland können Eltern somit ihr Kind nicht einfach zuhause unterrichten und damit einer eventuellen Bildungspflicht Genüge leisten. Ein Kind in schulpflichtigem Alter muss in eine Schule gehen.
Die bisweilen unverhältnismäßig anmutende Durchsetzung des staatlichen Bildungsmonopols sorgt gelegentlich für Schlagzeilen. So wurde streng religiösen Eltern im Jahr 2014 zwischenzeitlich das Sorgerecht entzogen bis das Oberlandesgericht Frankfurt die frühere Entscheidung des Amtsgerichts Darmstadt als nicht verhältnismäßig wieder aufhob. [1] Die Richter des Bundesverfassungsgerichtes urteilten allerdings Ende desselben Jahres unter Bezugnahme des vom Grundgesetz vorgesehenen Erziehungsauftrages des Staates auch, dass die im hessischen Gesetz vorgesehene Haftandrohung prinzipiell durchaus mit dem Grundgesetz vereinbar ist. [2] Das Verfassungsgericht bemühte in seiner Urteilsbegründung dabei das klassische Argument, dass die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse daran habe, religiös oder weltanschaulich motivierte Parallelgesellschaften entgegen zu wirken.
Das Heim als Brutstätte für radikale Ideen?
Die Legitimation der Schulpflicht deutscher Ausprägung ist primär die Sorge, dass legaler Heimunterricht gerade Menschen mit radikalem und fundamentalistischem Hintergrund sowie Integrationsverweigerer dazu bewegen könnte, ihre Kinder zu Hause zu lassen und sie damit der Bildung und allgemeinen Sozialisation in den staatlichen Schulen zu entziehen. Bei fehlender Schulpflicht hätten darüber hinaus Kinder aus indifferenten und verwahrlosten Elternhäusern noch schlechtere Bildungschancen, als dies sowieso schon der Fall ist. Denn ohne allgemeine Schulpflicht würden manche Eltern ihre Kinder weder in die Schule schicken noch zuhause unterrichten. Dieses Problem würde allerdings aller Wahrscheinlichkeit nach nur eine eher kleine Anzahl von Familien betreffen und könnte im konkreten Einzelfall zudem z.B. durch regelmäßige Leistungskontrollen von staatlicher Seite zwecks Feststellung des Bildungsstandes des Kindes behoben werden. Insgesamt ist fraglich, inwieweit ein generelles Verbot des Hausunterrichtes auf Basis einiger weniger sehr extremer und sehr seltener Problemfälle zu rechtfertigen ist.
Die Schulpflicht als Lernbremse im Sinne der Chancengleichheit?
In einem wissenschaftlichen Fachbeitrag mit dem Titel „Der Dispens vom Schulunterricht aus religiösen Gründen“ formulierte die Juristin Sabine Krampen-Lietzke eine provokante These:„Dadurch, dass die Schüler des Heimunterrichts intensiver betreut werden und dadurch bessere Lernerfolge erzielen könnten, haben diese einen Vorteil gegenüber den Schülern der öffentlichen Schule. Hierdurch wird die Chancengleichheit der Schüler verzerrt. Die Wahrung gleicher Startbedingungen für eine Bildungskarriere ist nur durch die Zusammenfassung aller Kinder in einer gemeinsamen Eingangsschule zu realisieren.“ [3]
Tatsächlich ist es so, dass Leistungsmessungen der zuhause unterrichteten Schüler einige für die staatlichen Schulen unschöne Sachverhalte enthüllen. So bescheinigt die Studie “Progress Report 2009: Homeschool Academic Achievement and Demographics” den zuhause unterrichteten Kindern nicht nur eine sehr gutes Leistungsniveau, sondern stellt außerdem fest, dass weder das Haushaltseinkommen noch das Geschlecht des Lernenden eine signifikante Rolle spielen. [4] Dies ist erstaunlich, denn an staatlichen Schulen besteht sowohl ein gender performance gap zuungunsten der Jungen als auch ein statistischer Zusammenhang zwischen dem Leistungsniveau des Schülers und dem Haushaltseinkommen.
Stand: März 2018
[1] http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/sorgerechtsentzug-unverhaeltnismaessig-schulverweigerer-haben-sorgerecht-fuer-ihre-kinder-zurueck.html
[2] http://www.sueddeutsche.de/bildung/urteil-des-bundesverfassungsgerichts-haftstrafen-fuer-schulverweigerer-eltern-sind-rechtens-1.2210364
[3] http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/campus/warum-ist-hausunterricht-in-deutschland-verboten-13303144.html
[4] http://www.hslda.org/docs/study/ray2009/ oder http://www.hslda.org/docs/study/ray2009/2009_Ray_StudyFINAL.pdf
Tags: Heim Haus Unterricht öffentliche staatliche Schule Pflicht Staat Bildungsmonopol Franz Reimer Andreas Vogt Grundgesetz Deutschland Artikel 6, Absatz 2, Satz 1 Bundesverfassungsgericht Urteil vom 5.9.1986 - 1 BvR 794/86 Bund Länder Föderalistisches Bildungssystem Ganztagsschule Gesamtschule Grundschule Hauptschule Realschule Gymnasium Turboabitur PISA TIMSS Tim Böder Homeschooling Thomas Spiegler Freilerner
unterrichtet werden. Die konkrete Praxis des Hausunterrichts kann sehr unterschiedlich aussehen. Das Spektrum reicht von stark strukturierten, an traditionellem Schulunterricht orientierten Formen bis hin zu sehr offenen Konzepten wie dem Freien Lernen.
Die am häufigsten genannten Gründe für Hausunterricht:
- Das staatliche Schulsystem wird grundsätzlich abgelehnt.
- Das schulische Umfeld wird z.B. aus religiösen Gründen als Sozialisationsform abgelehnt.
- Das Bildungskonzept der Staatsschule widerspricht den pädagogischen Vorstellungen oder Erziehungszielen der Eltern.
- Die Eltern wollen ihr Kind vor negativen Einflüssen wie Gewalt, Mobbing, oder Drogen schützen.
- Die Eltern sind der Meinung, das Potential des Kindes selbst am besten fördern zu können.
- Das Kind soll nicht gegen seinen Willen zum Schulbesuch gezwungen werden.
- Das Kind soll die Möglichkeit bekommen selbstbestimmt zu lernen.
Staatliches Bildungsmonopol - Schulpflicht
Laut Artikel 6, Absatz 2 des Grundgesetzes sind die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht. Allerdings entschied das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1986, dass die allgemeine Schulpflicht und die sich daraus ergebenden weiteren Pflichten in zulässiger Weise das im Grundgesetz gewährleistete elterliche Bestimmungsrecht über die Erziehung des Kindes beschränken.
Es ist zu beachten, dass in Deutschland nicht lediglich eine Bildungs- oder Unterrichtspflicht besteht, sondern eine ausdrückliche Schulbesuchspflicht. In Deutschland können Eltern somit ihr Kind nicht einfach zuhause unterrichten und damit einer eventuellen Bildungspflicht Genüge leisten. Ein Kind in schulpflichtigem Alter muss in eine Schule gehen.
Die bisweilen unverhältnismäßig anmutende Durchsetzung des staatlichen Bildungsmonopols sorgt gelegentlich für Schlagzeilen. So wurde streng religiösen Eltern im Jahr 2014 zwischenzeitlich das Sorgerecht entzogen bis das Oberlandesgericht Frankfurt die frühere Entscheidung des Amtsgerichts Darmstadt als nicht verhältnismäßig wieder aufhob. [1] Die Richter des Bundesverfassungsgerichtes urteilten allerdings Ende desselben Jahres unter Bezugnahme des vom Grundgesetz vorgesehenen Erziehungsauftrages des Staates auch, dass die im hessischen Gesetz vorgesehene Haftandrohung prinzipiell durchaus mit dem Grundgesetz vereinbar ist. [2] Das Verfassungsgericht bemühte in seiner Urteilsbegründung dabei das klassische Argument, dass die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse daran habe, religiös oder weltanschaulich motivierte Parallelgesellschaften entgegen zu wirken.
Das Heim als Brutstätte für radikale Ideen?
Die Legitimation der Schulpflicht deutscher Ausprägung ist primär die Sorge, dass legaler Heimunterricht gerade Menschen mit radikalem und fundamentalistischem Hintergrund sowie Integrationsverweigerer dazu bewegen könnte, ihre Kinder zu Hause zu lassen und sie damit der Bildung und allgemeinen Sozialisation in den staatlichen Schulen zu entziehen. Bei fehlender Schulpflicht hätten darüber hinaus Kinder aus indifferenten und verwahrlosten Elternhäusern noch schlechtere Bildungschancen, als dies sowieso schon der Fall ist. Denn ohne allgemeine Schulpflicht würden manche Eltern ihre Kinder weder in die Schule schicken noch zuhause unterrichten. Dieses Problem würde allerdings aller Wahrscheinlichkeit nach nur eine eher kleine Anzahl von Familien betreffen und könnte im konkreten Einzelfall zudem z.B. durch regelmäßige Leistungskontrollen von staatlicher Seite zwecks Feststellung des Bildungsstandes des Kindes behoben werden. Insgesamt ist fraglich, inwieweit ein generelles Verbot des Hausunterrichtes auf Basis einiger weniger sehr extremer und sehr seltener Problemfälle zu rechtfertigen ist.
Die Schulpflicht als Lernbremse im Sinne der Chancengleichheit?
In einem wissenschaftlichen Fachbeitrag mit dem Titel „Der Dispens vom Schulunterricht aus religiösen Gründen“ formulierte die Juristin Sabine Krampen-Lietzke eine provokante These:„Dadurch, dass die Schüler des Heimunterrichts intensiver betreut werden und dadurch bessere Lernerfolge erzielen könnten, haben diese einen Vorteil gegenüber den Schülern der öffentlichen Schule. Hierdurch wird die Chancengleichheit der Schüler verzerrt. Die Wahrung gleicher Startbedingungen für eine Bildungskarriere ist nur durch die Zusammenfassung aller Kinder in einer gemeinsamen Eingangsschule zu realisieren.“ [3]
Tatsächlich ist es so, dass Leistungsmessungen der zuhause unterrichteten Schüler einige für die staatlichen Schulen unschöne Sachverhalte enthüllen. So bescheinigt die Studie “Progress Report 2009: Homeschool Academic Achievement and Demographics” den zuhause unterrichteten Kindern nicht nur eine sehr gutes Leistungsniveau, sondern stellt außerdem fest, dass weder das Haushaltseinkommen noch das Geschlecht des Lernenden eine signifikante Rolle spielen. [4] Dies ist erstaunlich, denn an staatlichen Schulen besteht sowohl ein gender performance gap zuungunsten der Jungen als auch ein statistischer Zusammenhang zwischen dem Leistungsniveau des Schülers und dem Haushaltseinkommen.
Stand: März 2018
[1] http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/sorgerechtsentzug-unverhaeltnismaessig-schulverweigerer-haben-sorgerecht-fuer-ihre-kinder-zurueck.html
[2] http://www.sueddeutsche.de/bildung/urteil-des-bundesverfassungsgerichts-haftstrafen-fuer-schulverweigerer-eltern-sind-rechtens-1.2210364
[3] http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/campus/warum-ist-hausunterricht-in-deutschland-verboten-13303144.html
[4] http://www.hslda.org/docs/study/ray2009/ oder http://www.hslda.org/docs/study/ray2009/2009_Ray_StudyFINAL.pdf
Tags: Heim Haus Unterricht öffentliche staatliche Schule Pflicht Staat Bildungsmonopol Franz Reimer Andreas Vogt Grundgesetz Deutschland Artikel 6, Absatz 2, Satz 1 Bundesverfassungsgericht Urteil vom 5.9.1986 - 1 BvR 794/86 Bund Länder Föderalistisches Bildungssystem Ganztagsschule Gesamtschule Grundschule Hauptschule Realschule Gymnasium Turboabitur PISA TIMSS Tim Böder Homeschooling Thomas Spiegler Freilerner