In den übersättigten westlichen Industrienationen ist eine Kultur des Konsums entstanden. Konsumieren an sich ist inzwischen eine Kulturtechnik. Neben Problemen wie der Überschuldung von Konsumenten und dem Verbrauch von endlichen Ressourcen entstehen zunehmend auch psychische Probleme wie chronische Unzufriedenheit, Erschöpfung durch ständigen Konsum oder Kaufsucht. Immer mehr Menschen scheinen am souveränen Umgang mit den Verlockungen der Konsumkultur zu scheitern. [1]
Der Konsum an sich und die Produkte dienen zunehmend als Sinnstifter, als Ersatzbefriedigung und Stimulans für Gefühle. Frei nach dem Motto: Auch Emotionen kann man kaufen. Deutlich wird dies zum Beispiel am Slogan eines großen Herstellers von Softdrinks: "Mach Dir Freude auf."
Der Versuch die Marke mit positiven Emotionen zu verbinden geht soweit, dass die potentiellen Kunden aufgefordert werden die Werbebotschaft mit ihren Freunden zu teilen - als ein Ausdruck der Liebe/ Zuneigung...
Generell bietet Konsum Unterbrechungen und Überhöhungen eines oft eher monotonen Alltags und dient als emotionaler Verstärker. In der Hoffnung, dass eine positive Grundstimmung den Konsumenten zum Kauf anregt, wird der potentielle Kunde in der modernen Warenwelt möglichst durchgehend mit positiven Gefühlen umgeben. Diese permanente Inszenierung der Freude und des Glückes hat allerdings auch ihre Schattenseiten: zum einen lässt die perfekte Konsumwelt das eigene Leben fade erscheinen. Zum anderen erzeugt die ständige Reizüberflutung mitunter Symptome der Erschöpfung. Der Kunde fühlt sich ausgebrannt und gestresst. Damit verstärkt die als Lösung der Probleme angepriesene Produktwelt ihrerseits unterschwellig bereits bestehende Erschöpfungssymptome.
Komplexe technische Produkte wie Smartphones machen das Leben in mancher Hinsicht angenehmer - gleichzeitig stellen sie aber auch Forderungen. Zum einen auf der Ebene der erzwungenen Aktivität auf diversen Social Media-Plattformen. Zum anderen durch eine neue Form von Stress welche durch scheinbar endlosen Optimierungsdruck und dem Verlangen nach weiteren Accessoires für jedes Produkt erzeugt wird. Es gibt immer ein Detail, welches suboptimal erscheint und daher verbessert werden muss. Eine Konsumspirale entsteht und der Konsum mutiert im Extremfall zum Selbstzweck.
Dabei muss der Verbraucher gegenüber den Werbeversprechungen nicht einmal gutgläubig sein. Der kritische Verbraucher versteht den normalen Konsumenten seit langem als verblendetet und fremdbestimmt und lehnt daher die Verheißungen und Manipulation der bunten Warenwelt prinzipiell ab. Modernes Marketing hat darauf jedoch längst reagiert und legt nicht selten selbst bereits ein ironisch-distanziertes Verhalten des Konsumenten nahe. Viele Elemente der klassischen Kulturkritik wie Verfall der Gegenwart, allgemeiner Werteverlust, Modernitätsangst, etc. haben bereits in die Produktinszenierung Einzug gehalten und dienen mitunter selbst als Produktmerkmal (siehe Marken wie Weleda oder Manufactum). Unabhängig von der Einstellung des Verbrauchers setzen sich am Ende wunschgemäß der Markenname und die Werbeversprechungen im Bewusstsein fest.
Und so sind es heute nicht mehr die ökologisch geprägten Gutmenschen, sondern die Produktdesigner, welche die Welt verändern. Die Manager, die zur Verkaufsförderung griffige Botschaften zu sozialer Verantwortung, Klimawandel, Ressourcenverbrauch und Nachhaltigkeit auf den Etiketten der Produkte drucken lassen und durch die ständige Wiederholungen dieser Motive letztendlich tatsächlich ein Bewusstsein bei der breiten Masse prägen. Anfänglich war es eher schlichtes Betroffenheits-Marketing, z.B. mit einem Foto der blutverschmierten Kleidung eines gefallenen Soldaten.* Mittlerweile finden sich Marketingspezialisten jedoch geradezu in der Rolle des ethischen Missionars wieder. [2]
So hat ökologische Pädagogik heute auf vielen Produktetiketten ihren Platz und es findet eine regelrechte Erziehung der Kunden durch die Waren statt. Produkte erfüllen die Funktionen von Benimm-Ratgebern und Verhaltenslenkern, sie liefern Codes für das soziale Leben. Die zunehmende Moralisierung der Warenwelt lässt sich besonders deutlich an Fairtrade-Waren und Bioprodukten beobachten. Der Industrie dient das gute Gewissen dabei natürlich letztlich nur als weitere Variante des Wellness-Marketings. Der vermeintlich konsumkritische Verbraucher hingegen lässt sich seine „Ideale“ gern gutes Geld kosten.
Sichtbar werden die warenästhetische Erziehung sowie die Überhöhung des reinen Gebrauchswertes auch beim vermeintlichen Bildungsbürgertum welches sich durch den Kauf der „richtigen“ Produkte bewusst vom Proletariat der Discounter-Kunden abgrenzt. Selbst dieses Verhalten wurde jedoch bereits zu Marketing-Zwecken benutzt. So bot das US-Modelabel Abercrombie & Fitch den Akteuren von “Jersey Shore” im Jahre 2011 Geld dafür, dass sie die Kleidung der Marke zukünftig nicht mehr öffentlich tragen. [3]
Darüber hinaus gibt es natürlich auch zu der generellen Entwicklung des Marketings des guten Gewissens bereits eine Gegenbewegung. So gibt es Marken, die den skrupellosen Genuss empfehlen und sich gezielt als Rebellen stilisieren.
Stand: Mai 2013
[1] http://www.sueddeutsche.de/leben/gesellschaftskrankheit-konsumieren-bis-es-weh-tut-1.595220
[2] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-62492126.html
[3] http://www.nytimes.com/2011/08/18/business/abercrombie-offers-jersey-shore-cast-a-paid-non-product-placement.html?_r=0
* Im Jahr 1994 nutzte die Modefirma Benetton die blutbefleckte Kampfmontur des erschossenen Kroaten Marinko Grago für Werbezwecke.
Bild: Warteschlange von potentiellen Kunden vor dem Store eines großen amerikanischen Modelabels in Hamburg zwei Tage nach Eröffnung.
Tags: kaufsucht ursachen test symptome therapie möglichkeiten beratung behandlung selbst hilfe gruppe forum blog online internet consumerism sale Waren Angebot Werbung Marken Image Produkte Veblen Diderot Effect hyperbolic discounting Verbraucher Konsumenten Kredit Schuldenfalle
Komplexe technische Produkte wie Smartphones machen das Leben in mancher Hinsicht angenehmer - gleichzeitig stellen sie aber auch Forderungen. Zum einen auf der Ebene der erzwungenen Aktivität auf diversen Social Media-Plattformen. Zum anderen durch eine neue Form von Stress welche durch scheinbar endlosen Optimierungsdruck und dem Verlangen nach weiteren Accessoires für jedes Produkt erzeugt wird. Es gibt immer ein Detail, welches suboptimal erscheint und daher verbessert werden muss. Eine Konsumspirale entsteht und der Konsum mutiert im Extremfall zum Selbstzweck.
Dabei muss der Verbraucher gegenüber den Werbeversprechungen nicht einmal gutgläubig sein. Der kritische Verbraucher versteht den normalen Konsumenten seit langem als verblendetet und fremdbestimmt und lehnt daher die Verheißungen und Manipulation der bunten Warenwelt prinzipiell ab. Modernes Marketing hat darauf jedoch längst reagiert und legt nicht selten selbst bereits ein ironisch-distanziertes Verhalten des Konsumenten nahe. Viele Elemente der klassischen Kulturkritik wie Verfall der Gegenwart, allgemeiner Werteverlust, Modernitätsangst, etc. haben bereits in die Produktinszenierung Einzug gehalten und dienen mitunter selbst als Produktmerkmal (siehe Marken wie Weleda oder Manufactum). Unabhängig von der Einstellung des Verbrauchers setzen sich am Ende wunschgemäß der Markenname und die Werbeversprechungen im Bewusstsein fest.
Und so sind es heute nicht mehr die ökologisch geprägten Gutmenschen, sondern die Produktdesigner, welche die Welt verändern. Die Manager, die zur Verkaufsförderung griffige Botschaften zu sozialer Verantwortung, Klimawandel, Ressourcenverbrauch und Nachhaltigkeit auf den Etiketten der Produkte drucken lassen und durch die ständige Wiederholungen dieser Motive letztendlich tatsächlich ein Bewusstsein bei der breiten Masse prägen. Anfänglich war es eher schlichtes Betroffenheits-Marketing, z.B. mit einem Foto der blutverschmierten Kleidung eines gefallenen Soldaten.* Mittlerweile finden sich Marketingspezialisten jedoch geradezu in der Rolle des ethischen Missionars wieder. [2]
So hat ökologische Pädagogik heute auf vielen Produktetiketten ihren Platz und es findet eine regelrechte Erziehung der Kunden durch die Waren statt. Produkte erfüllen die Funktionen von Benimm-Ratgebern und Verhaltenslenkern, sie liefern Codes für das soziale Leben. Die zunehmende Moralisierung der Warenwelt lässt sich besonders deutlich an Fairtrade-Waren und Bioprodukten beobachten. Der Industrie dient das gute Gewissen dabei natürlich letztlich nur als weitere Variante des Wellness-Marketings. Der vermeintlich konsumkritische Verbraucher hingegen lässt sich seine „Ideale“ gern gutes Geld kosten.
Sichtbar werden die warenästhetische Erziehung sowie die Überhöhung des reinen Gebrauchswertes auch beim vermeintlichen Bildungsbürgertum welches sich durch den Kauf der „richtigen“ Produkte bewusst vom Proletariat der Discounter-Kunden abgrenzt. Selbst dieses Verhalten wurde jedoch bereits zu Marketing-Zwecken benutzt. So bot das US-Modelabel Abercrombie & Fitch den Akteuren von “Jersey Shore” im Jahre 2011 Geld dafür, dass sie die Kleidung der Marke zukünftig nicht mehr öffentlich tragen. [3]
Darüber hinaus gibt es natürlich auch zu der generellen Entwicklung des Marketings des guten Gewissens bereits eine Gegenbewegung. So gibt es Marken, die den skrupellosen Genuss empfehlen und sich gezielt als Rebellen stilisieren.
Stand: Mai 2013
[1] http://www.sueddeutsche.de/leben/gesellschaftskrankheit-konsumieren-bis-es-weh-tut-1.595220
[2] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-62492126.html
[3] http://www.nytimes.com/2011/08/18/business/abercrombie-offers-jersey-shore-cast-a-paid-non-product-placement.html?_r=0
* Im Jahr 1994 nutzte die Modefirma Benetton die blutbefleckte Kampfmontur des erschossenen Kroaten Marinko Grago für Werbezwecke.
Bild: Warteschlange von potentiellen Kunden vor dem Store eines großen amerikanischen Modelabels in Hamburg zwei Tage nach Eröffnung.
Tags: kaufsucht ursachen test symptome therapie möglichkeiten beratung behandlung selbst hilfe gruppe forum blog online internet consumerism sale Waren Angebot Werbung Marken Image Produkte Veblen Diderot Effect hyperbolic discounting Verbraucher Konsumenten Kredit Schuldenfalle