Mit dem Begriff Bullshit-Jobs bezeichnete der Autor David Graeber in seinem ursprünglichen Artikel und später folgendem Buch Jobs welche einer sinnvollen gesellschaftlichen Funktion entbehren. [1]
Wie John Maynard Keynes bereits im Jahr 1930 korrekt voraussagte, wurde die Erwerbsarbeit in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend automatisiert, computerisiert, und in der Folge in großen Teilen wegrationalisiert. Laut Graeber wurden die theoretisch eingesparten Arbeitsstunden mehrheitlich jedoch nicht in Freizeit für das Individuum umgewandelt, sondern stattdessen mit gesellschaftlich weitgehend sinnloser Erwerbsarbeit gefüllt.
Er unterscheidet folgende Typen von Bullshit-Beschäftigten:
• Schmuckstück - Ihr Zweck besteht darin, anderen Positionen Gewicht zu verleihen. Rezeptionisten/ Assistenten
• Auftragsschläger - Vertreten aggressiv die Interessen ihrer Auftraggeber: Also Lobbyisten, Anwälte, etc.
• Hausmeister - Sind den ganzen Tag damit beschäftigt Lecks zu flicken, welche nicht bestehen müssten.
• Verwalter - Koordinieren sinnlose Aktivitäten, versenden belanglose Newsletter und führen nutzlose Statistiken.
• Mittelmanager - Nehmen Führungsaufgaben wahr wo keine Führung notwendig wäre.
Wie David Graeber selbst einräumt, ist es gelegentlich schwierig, für einen Job objektiv einen konkreten gesellschaftlichen Nutzen zu bestimmen ohne dass dies zwangsläufig bedeutet diese Beschäftigung sei komplett unsinnig. In vielen sehr spezialisierten Berufen ist der gesellschaftliche Nutzen der Tätigkeit abstrakt und von außen schlicht nicht immer sofort ersichtlich.
Allerdings geben in Umfragen die Erwerbstätigen oft selbst Zweifel bezüglich der Sinnhaftigkeit ihrer Jobs zu Protokoll. So gab in einer im Jahr 2015 in Großbritannien durchgeführten Umfrage gut ein Drittel der Befragten an ihre Tätigkeit für sinnlos zu halten. [2]
Wie sinnvoll eine Arbeit für die Gesellschaft objektiv ist und als wie sinnvoll der Erwerbstätige sie erlebt, sind ohne Frage zwei verschiedene Aspekte. Insofern kann sich hier durchaus eine deutliche Abweichung ergeben. So kann der Erwerbstätige seiner Rolle eine größere Bedeutung beimessen als dies objektiv zu rechtfertigen wäre um eine als unbefriedigend empfundene Arbeitssituation ertragen zu können. Dies ist zum Beispiel bei vielen Lehrern der Fall (siehe Freies Lernen). Zudem ist der vermeintliche gesellschaftliche Nutzen natürlich nur ein Faktor für das subjektive Sinnerleben.
Die Korrelation von Selbsttäuschung und Bildungsabschluss, respektive Vergütung scheint allerdings zu funktionieren. Gemäß European Working Conditions Survey geben 95% der Hochqualifizierten an, sinnvolle Arbeit zu leisten. Bei den Geringqualifizierten sind es hingegen satte 25 Prozentpunkte weniger. [3]
Variierende gesellschaftliche Bedeutung
Wie bedeutsam ein Job im gesellschaftlichen Kontext ist, hängt natürlich unter anderem von dessen konkreter Ausgestaltung ab. So dürfte dem kritischen und investigativ tätigen Journalisten ohne Frage eine bedeutende gesellschaftliche Rolle zufallen. Wenn derselbe Journalist sich allerdings damit begnügt reißerische Artikel für die Regenbogenpresse zu schreiben, verliert sich die gesellschaftliche Bedeutung seiner Tätigkeit. Gleichwohl ist sinnlos und objektiv unproduktiv in diesem Fall nicht gleichbedeutend mit nutzlos im Sinne von Generierung von Einnahmen. Wenn seine bedeutungslosen Promistories genug Interesse und damit Werbeeinnahmen generieren, erfüllt er als Autor für den Verleger durchaus einen Zweck.
Scheinbarer Widerspruch zur freien Marktwirtschaft
Graebers Theorie von der weiten Verbreitung von Bullshit-Jobs scheint den allgemein anerkannten Prinzipien der Marktwirtschaft zu widersprechen. Private Unternehmen die auf einem freien Markt in Konkurrenz zueinander stehen, können es sich theoretisch nicht leisten unproduktive Mitarbeiter zu beschäftigen. Bei dieser Argumentation werden jedoch zwei Dinge übersehen:
Zum einen sind Effizienz, Produktivität etc. keine absoluten und isolierten Größen, welche ohne eine Referenzmarke existieren. Das heißt konkret, dass ein Unternehmen absolut eben nicht effizient sein muss - es muss lediglich effizienter sein als der Mitbewerber. Wenn Unternehmen A drei nutzlose Stellen aufrecht erhält, hat Unternehmen B mit lediglich zwei nutzlosen Stellen bereits einen Wettbewerbsvorteil.
Zum zweiten sind viele Produkte das Ergebnis einer langen Produktionskette. Es ist absolut möglich, einen sinnlosen Verwaltungsjob hinzuzufügen und die Stückkosten am Ende dennoch zu senken. Man erhöht schlicht die Produktionsziele am unteren Ende der Produktionskette und zwingt die tatsächlich produzierenden Mitarbeiter noch schneller, effizienter etc. zu arbeiten.
Dies lässt sich in der Realität regelmäßig beobachten: während der Dienstleister direkt am Kunden oder der Mitarbeiter in der Produktion keine Pausen macht um sein Arbeitspensum überhaupt auch nur annähernd bewältigen zu können, vertrödelt der gelangweilte Büroangestellte im Backoffice desselben Unternehmens seine Zeit mit Facebook.
Grundeinkommen als Lösung?
David Graeber schlägt das bedingungslose Grundeinkommen als Lösung für das von ihm erkannte Problem vor.
Stand: Juni 2019
[1] Originalartikel aus dem Jahr 2013: https://strikemag.org/bullshit-jobs/
[2] https://yougov.co.uk/news/2015/08/12/british-jobs-meaningless/
[3] http://www.eurofound.europa.eu/surveys
Tags: Lobbyist Anwalt Consulting Unternehmen Public Relations Berater Soziale Medien Twitter #Bullshitjobs Beschwerde Manager Telemarketing Compliance Investment Bank Dienstleistung Gesellschaft Produktivität Effizienz Marktwirtschaft Kapitalismus Hofnarren Feudalismus Vetternwirtschaft Verschwendung Korruption Staatsquote Bürokratie öffentliche Verwaltung Wasserkopf administrative Arbeiten Blind Minder Leistung Underperformer Human Resources Feel Good Manager Jimdo Magdalena Bethge Corporate Culture Coordinator
Wie John Maynard Keynes bereits im Jahr 1930 korrekt voraussagte, wurde die Erwerbsarbeit in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend automatisiert, computerisiert, und in der Folge in großen Teilen wegrationalisiert. Laut Graeber wurden die theoretisch eingesparten Arbeitsstunden mehrheitlich jedoch nicht in Freizeit für das Individuum umgewandelt, sondern stattdessen mit gesellschaftlich weitgehend sinnloser Erwerbsarbeit gefüllt.
Er unterscheidet folgende Typen von Bullshit-Beschäftigten:
• Schmuckstück - Ihr Zweck besteht darin, anderen Positionen Gewicht zu verleihen. Rezeptionisten/ Assistenten
• Auftragsschläger - Vertreten aggressiv die Interessen ihrer Auftraggeber: Also Lobbyisten, Anwälte, etc.
• Hausmeister - Sind den ganzen Tag damit beschäftigt Lecks zu flicken, welche nicht bestehen müssten.
• Verwalter - Koordinieren sinnlose Aktivitäten, versenden belanglose Newsletter und führen nutzlose Statistiken.
• Mittelmanager - Nehmen Führungsaufgaben wahr wo keine Führung notwendig wäre.
Wie David Graeber selbst einräumt, ist es gelegentlich schwierig, für einen Job objektiv einen konkreten gesellschaftlichen Nutzen zu bestimmen ohne dass dies zwangsläufig bedeutet diese Beschäftigung sei komplett unsinnig. In vielen sehr spezialisierten Berufen ist der gesellschaftliche Nutzen der Tätigkeit abstrakt und von außen schlicht nicht immer sofort ersichtlich.
Allerdings geben in Umfragen die Erwerbstätigen oft selbst Zweifel bezüglich der Sinnhaftigkeit ihrer Jobs zu Protokoll. So gab in einer im Jahr 2015 in Großbritannien durchgeführten Umfrage gut ein Drittel der Befragten an ihre Tätigkeit für sinnlos zu halten. [2]
Wie sinnvoll eine Arbeit für die Gesellschaft objektiv ist und als wie sinnvoll der Erwerbstätige sie erlebt, sind ohne Frage zwei verschiedene Aspekte. Insofern kann sich hier durchaus eine deutliche Abweichung ergeben. So kann der Erwerbstätige seiner Rolle eine größere Bedeutung beimessen als dies objektiv zu rechtfertigen wäre um eine als unbefriedigend empfundene Arbeitssituation ertragen zu können. Dies ist zum Beispiel bei vielen Lehrern der Fall (siehe Freies Lernen). Zudem ist der vermeintliche gesellschaftliche Nutzen natürlich nur ein Faktor für das subjektive Sinnerleben.
Die Korrelation von Selbsttäuschung und Bildungsabschluss, respektive Vergütung scheint allerdings zu funktionieren. Gemäß European Working Conditions Survey geben 95% der Hochqualifizierten an, sinnvolle Arbeit zu leisten. Bei den Geringqualifizierten sind es hingegen satte 25 Prozentpunkte weniger. [3]
Variierende gesellschaftliche Bedeutung
Wie bedeutsam ein Job im gesellschaftlichen Kontext ist, hängt natürlich unter anderem von dessen konkreter Ausgestaltung ab. So dürfte dem kritischen und investigativ tätigen Journalisten ohne Frage eine bedeutende gesellschaftliche Rolle zufallen. Wenn derselbe Journalist sich allerdings damit begnügt reißerische Artikel für die Regenbogenpresse zu schreiben, verliert sich die gesellschaftliche Bedeutung seiner Tätigkeit. Gleichwohl ist sinnlos und objektiv unproduktiv in diesem Fall nicht gleichbedeutend mit nutzlos im Sinne von Generierung von Einnahmen. Wenn seine bedeutungslosen Promistories genug Interesse und damit Werbeeinnahmen generieren, erfüllt er als Autor für den Verleger durchaus einen Zweck.
Scheinbarer Widerspruch zur freien Marktwirtschaft
Graebers Theorie von der weiten Verbreitung von Bullshit-Jobs scheint den allgemein anerkannten Prinzipien der Marktwirtschaft zu widersprechen. Private Unternehmen die auf einem freien Markt in Konkurrenz zueinander stehen, können es sich theoretisch nicht leisten unproduktive Mitarbeiter zu beschäftigen. Bei dieser Argumentation werden jedoch zwei Dinge übersehen:
Zum einen sind Effizienz, Produktivität etc. keine absoluten und isolierten Größen, welche ohne eine Referenzmarke existieren. Das heißt konkret, dass ein Unternehmen absolut eben nicht effizient sein muss - es muss lediglich effizienter sein als der Mitbewerber. Wenn Unternehmen A drei nutzlose Stellen aufrecht erhält, hat Unternehmen B mit lediglich zwei nutzlosen Stellen bereits einen Wettbewerbsvorteil.
Zum zweiten sind viele Produkte das Ergebnis einer langen Produktionskette. Es ist absolut möglich, einen sinnlosen Verwaltungsjob hinzuzufügen und die Stückkosten am Ende dennoch zu senken. Man erhöht schlicht die Produktionsziele am unteren Ende der Produktionskette und zwingt die tatsächlich produzierenden Mitarbeiter noch schneller, effizienter etc. zu arbeiten.
Dies lässt sich in der Realität regelmäßig beobachten: während der Dienstleister direkt am Kunden oder der Mitarbeiter in der Produktion keine Pausen macht um sein Arbeitspensum überhaupt auch nur annähernd bewältigen zu können, vertrödelt der gelangweilte Büroangestellte im Backoffice desselben Unternehmens seine Zeit mit Facebook.
Grundeinkommen als Lösung?
David Graeber schlägt das bedingungslose Grundeinkommen als Lösung für das von ihm erkannte Problem vor.
Stand: Juni 2019
[1] Originalartikel aus dem Jahr 2013: https://strikemag.org/bullshit-jobs/
[2] https://yougov.co.uk/news/2015/08/12/british-jobs-meaningless/
[3] http://www.eurofound.europa.eu/surveys
Tags: Lobbyist Anwalt Consulting Unternehmen Public Relations Berater Soziale Medien Twitter #Bullshitjobs Beschwerde Manager Telemarketing Compliance Investment Bank Dienstleistung Gesellschaft Produktivität Effizienz Marktwirtschaft Kapitalismus Hofnarren Feudalismus Vetternwirtschaft Verschwendung Korruption Staatsquote Bürokratie öffentliche Verwaltung Wasserkopf administrative Arbeiten Blind Minder Leistung Underperformer Human Resources Feel Good Manager Jimdo Magdalena Bethge Corporate Culture Coordinator