Viele Erwerbstätige in Deutschland überschätzen ihren Leistungsanspruch im Falle der Erwerbsunfähigkeit. Nicht zuletzt durch den Versand der Renteninformation wird der Glaube an ein unrealistisches Absicherungsniveau bewusst aufrechterhalten.

Der Versicherungsschutz der gesetzlichen Rentenversicherung umfasst nicht nur Zahlungen der Altersrente, sondern auch Leistungen im Falle der Erwerbsunfähigkeit. Allerdings müssen für den Bezug einer sogenannten Erwerbsminderungsrente umfangreiche Voraussetzungen erfüllt sein:

1. Die Erwerbsfähigkeit kann durch Rehabilitationsmaßnahmen nicht mehr hergestellt werden.
2. Die Erwerbsfähigkeit ist auf weniger als 6 Stunden am Tag eingeschränkt. (Um Anspruch auf die volle Erwerbsminderungsrente zu haben, müssen dies sogar weniger als drei Stunden sein.)
3. Die Regelaltersgrenze für die Altersrente ist noch nicht erreicht.
4. Innerhalb der letzten fünf Jahre erfolgte die Zahlung von Pflichtbeiträgen von insgesamt mindestens drei Jahren.
5. Erfüllung der Wartezeit von mindestens fünf Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung ist gegeben. (Die Wartezeit kann weniger als 5 Jahre betragen, wenn die Erwerbsminderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit eintritt und zu diesem Zeitpunkt Versicherungspflicht bestand oder in den letzten 2 Jahren wenigstens 12 Monate lang Pflichtbeiträge bezahlt wurden oder die Erwerbsminderung innerhalb von sechs Jahren nach der Ausbildung eintritt. Allerdings müssen in den letzten zwei Jahren mindestens 12 Monate lang Pflichtbeiträge entrichtet worden sein.)

_Aufgrund der Nichterfüllung der genannten Voraussetzungen, abschlägiger Prüfung der eingereichten Unterlagen und (ärztlichen) Gutachten, etc. werden nur ca. die Hälfte der gestellten Anträge auf Erwerbsminderungsrente tatsächlich auch bewilligt. [1]

Selbst wenn der Antrag letztendlich positiv entschieden wird, ergibt sich mit Einreichung des Antrages oft ein massives finanzielles Problem für den Versicherten. Da die Bearbeitung der Anträge sehr lange dauern kann, haben der Versicherte mitunter einen Zeitraum von ca. drei bis fünf Monaten komplett ohne Einkommen zu überbrücken. Wer keine finanziellen Reserven hat, kann sich somit am Beginn einer folgenschweren Kettenreaktion befinden: So könnte z.B. die Bank bei Wegfall des Einkommens den Dispositionsrahmen des Girokontos jederzeit streichen und anstehende Mietzahlungen, etc. würden ggf. nicht mehr bedient.

Ein weiteres Problem ist, dass die Versicherten die Höhe der ihnen zustehenden Leistungen oft massiv überschätzen. Die Leistungen reichen im Fall der Erwerbsunfähigkeit meist nicht aus, um den Lebensunterhaltung zu bestreiten. So beträgt die Nettorente vor Steuern aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei voller Erwerbsminderung im Gesamtdurchschnitt noch nicht einmal 670 Euro. [2]

Hilfreich ist es, nicht erst bei Renteneintritt, sondern noch während der Berufstätigkeit bei der Deutsche Rentenversicherung eine sogenannte Kontenklärung* durchführen zu lassen. So können beizeiten schon Rentenansprüche festgestellt werden, die z.B. durch schulische Ausbildungszeiten entstanden sind. Im Falle einer Erwerbsminderung können die Leistungen dann wesentlich schneller ermittelt werden.

Wer sich vor den finanziellen Folgen der Berufs-/ Erwerbsunfähigkeit schützen will, kann eine private Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen. Darüber hinaus ist es ratsam, jederzeit eine ausreichende Liquiditätsreserve vorzuhalten um ggf. alle anfallenden Lebenshaltungskosten für mindestens drei Monate gänzlich ohne Einkommen bestreiten zu können.

Stand: Juli 2015

[1] http://www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob/238686/publicationFile/57318/13_indikatoren_zu_erwerbsminderungsrenten.pdf
[2] Siehe Broschürenseiten 53 und 54 http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/6_Wir_ueber_uns/03_fakten_und_zahlen/03_statistiken/02_statistikpublikationen/02_rv_in_zahlen.html

* Formulare zur Kontenklärung: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/5_Services/04_formulare_und_antraege/01_versicherte/01_vor_der_rente/_DRV_Paket_Versicherung_Kontenklaerung.html

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