Peter Bofinger Wirtschaftsweiser fordert
Lohnplus von fünf Prozent
Veröffentlicht von Spiegel Online am 06.01.2013
Nach Überzeugung von Herrn Bofinger ist die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Staaten der Auslöser für die Krise in Europa. Um die Wettbewerbsfähigkeit anzugleichen wünscht er sich eine Verteuerung der deutschen Produktion und schlägt dazu eine pauschale Erhöhung aller Löhne/ Gehälter, Renten und Sozialbezüge um 5% vor.
Der Vorschlag Deutschland möge sich in Bezug auf seine Wettbewerbsfähigkeit nach unten anpassen, ist an sich absurd genug. Allerdings gibt es darüber hinaus einige Aspekte die gegen den Vorschlag von Herrn Bofinger sprechen:
Nur dadurch, dass Deutschland seine Produkte künstlich verteuert, werden die anderen europäischen Länder nicht zwangsläufig konkurrenzfähiger. Die Stärken Deutschlands liegen im Bereich Automobil-/ Maschinen-/und Anlagenbau, chemische Industrie, etc. Andere europäische Länder wie z.B. Frankreich können in diesen Bereichen gar nicht liefern. Es mangelt an Wettbewerbsfähigkeit nicht zwangsläufig wegen der Preise der Produkte, sondern weil das Know-how fehlt. Wenn die Waren oder Dienstleistungsqualität aus den anderen Euroländern nicht zufriedenstellend sind, werden die Käufer trotz der gestiegenen Preise lieber weiterhin deutsche Produkte erwerben.
Die anderen europäischen Länder sind nicht nur Konkurrenten Deutschlands, sondern auch Kunden. Wenn sie zukünftig deutsche Spezialmaschinen für ihre eigene Produktion benötigen, müssen auch sie nach der künstlichen Verteuerungsrunde mehr für die deutschen Produkte bezahlen.
Herr Bofinger liefert keine Vorschläge wie und von wem die höheren Leistungssätze der nicht-erwerbstätigen Bevölkerungsteile (Rentner, Hartz IV-Empfänger, etc.) eigentlich erwirtschaftet werden sollen.
Er gibt sich zudem besorgt bezüglich einer Geldentwertung falls Deutschland nichts gegen das Ungleichgewicht beim Wettbewerb unternimmt: "Wir haben nur die Wahl zwischen hässlichen Alternativen: entweder eine zeitweise höhere Inflationsrate bei uns oder eine Deflation in Südeuropa." Abgesehen davon, dass eine Inflation als Nebeneffekt der Niedrigzinspolitik politisch durchaus gewollt ist, verschweigt Herr Bofinger, dass durch die von ihm vorgeschlagene 5%-Erhöhung auf breiter Front zwangsläufig eine Lohn-Preis-Spirale entsteht.
Die von Herrn Bofinger gewünschte fortwährende Steigerung des (Binnen-) Konsums ist schon aus Gründen der endlichen Ressourcen dieser Welt keine Lösung des Problems.
Die primäre Ursache der Krise ist der kreditfinanzierte Konsum und die mittlerweile akuten Zweifel der Schuldner ob die Schulden jemals wieder zurück gezahlt werden können. Es ist eine Schulden- und Vertrauenskrise, keine Krise der Wettbewerbsfähigkeit. Die Erhöhung der Ausgaben und eine weitere Steigerung der Schulden kann das Problem daher nicht lösen.
Dank Niedrigzinspolitik ist bereits jetzt viel zu viel Liquidität im Umlauf. Deutsche Haushalte sparen im Schnitt 10% ihres verfügbaren Einkommens und erhöhen damit stetig den Anlagedruck. Die Börsen boomen „dank“ der enormen Liquidität, Gold und Immobilien befinden sich schon längst wieder auf Vor-Krisen-Niveau. Nicht die allgemeine Höhe der Einkommen in Deutschland ist das Problem, sondern deren Verteilung (siehe Armutsbericht).
Praxisorientiertes Beispiel:
Ein Team bestehend aus insgesamt 12 Arbeitnehmern (acht Vollzeit a 40 Stunden und vier Teilzeit zu je 20 Stunden/ Woche) leistet insgesamt 400 Arbeitsstunden pro Woche. Der Arbeitgeber vergütet die Arbeitszeit mit 10 Euro/ Stunde und hat somit folglich einen Aufwand von insgesamt 4000 Euro pro Woche. [1] Bei einer zwangsverordneten Lohnsteigerung von 5% wären in Zukunft insgesamt 4200 Euro aufzuwenden. Das Budget des Arbeitgebers für das betreffende Team liegt jedoch auch nach der Zwangserhöhung weiterhin bei 4000 Euro.
Das Problem ist für den Arbeitgeber schnell gelöst: er entlässt eine Teilzeitkraft und muss folglich in Zukunft nur noch 380 Wochenstunden entlohnen. Dies zum nun höheren Stundensatz von 10,50 Euro, sodass sich Gesamtkosten von 3990 Euro ergeben, welche wieder im veranschlagten Budget liegen.
Gesamtwirtschaftlich ist dies auf der Einnahmeseite ein Nullsummnenspiel. Die Abgaben zur Sozialversicherung und die Steuern bleiben –abgesehen von leichten Verschiebungen in der Steuerklasse einzelner Arbeitnehmer- in etwa gleich hoch. Wenn der entlassene AN keinen neuen Job findet, gibt es auf der Ausgabenseite jedoch einen zusätzlichen Bezieher von Arbeitslosengeld.
Für das nun um eine Arbeitskraft reduzierte Team bleibt das Arbeitsvolumen natürlich konstant, sodass jetzt die verbleibenden Mitarbeiter das Arbeitspensum des entlassenen Mitarbeiters übernehmen müssen. Vom Management wird klargestellt, dass dies innerhalb der regulären Arbeitszeit zu geschehen hat und dafür keinesfalls Überstunden zu leisten sind.
Folge: Die Leistungsträger des Teams werden in Zukunft schlicht ein bisschen schneller/ effizienter arbeiten. Die Arbeitnehmer, die ihre Leistung nicht weiter steigern können, werden aus Sorge um ihren Arbeitsplatz wahrscheinlich die geforderte Mehrarbeit leisten ohne diese dem Arbeitgeber in Rechnung zu stellen - schlicht indem sie weniger Stunden abrechnen als sie eigentlich geleistet haben. [2] Für einzelne Mitarbeiter des Teams wird die Arbeitsbelastung durch die erneute Steigerung des Arbeitspensums zu hoch werden. Aus Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes werden sie sich jedoch eine Weile abkämpfen bis sie dann schließlich mit Burn-Out aus dem Arbeitsleben ausscheiden und zum Sozialfall werden.
[1] Aus Gründen der Anschaulichkeit und Nachvollziehbarkeit stark vereinfachte Darstellung ohne Sozialabgaben des Arbeitgebers, etc.
[2] http://www.iwh-halle.de/d/publik/presse/34-12.pdf
Artikel: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/peter-bofinger-wirtschaftsweiser-fordert-lohnplus-von-fuenf-prozent-a-875948.html
Tags: Volkswirtschaftslehre wirtschaftsweise uni würzburg prof. dr. Peter Bofinger Interview SPON Spiegel Online Massenmedien
Veröffentlicht von Spiegel Online am 06.01.2013
Nach Überzeugung von Herrn Bofinger ist die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Staaten der Auslöser für die Krise in Europa. Um die Wettbewerbsfähigkeit anzugleichen wünscht er sich eine Verteuerung der deutschen Produktion und schlägt dazu eine pauschale Erhöhung aller Löhne/ Gehälter, Renten und Sozialbezüge um 5% vor.
Der Vorschlag Deutschland möge sich in Bezug auf seine Wettbewerbsfähigkeit nach unten anpassen, ist an sich absurd genug. Allerdings gibt es darüber hinaus einige Aspekte die gegen den Vorschlag von Herrn Bofinger sprechen:
Nur dadurch, dass Deutschland seine Produkte künstlich verteuert, werden die anderen europäischen Länder nicht zwangsläufig konkurrenzfähiger. Die Stärken Deutschlands liegen im Bereich Automobil-/ Maschinen-/und Anlagenbau, chemische Industrie, etc. Andere europäische Länder wie z.B. Frankreich können in diesen Bereichen gar nicht liefern. Es mangelt an Wettbewerbsfähigkeit nicht zwangsläufig wegen der Preise der Produkte, sondern weil das Know-how fehlt. Wenn die Waren oder Dienstleistungsqualität aus den anderen Euroländern nicht zufriedenstellend sind, werden die Käufer trotz der gestiegenen Preise lieber weiterhin deutsche Produkte erwerben.
Die anderen europäischen Länder sind nicht nur Konkurrenten Deutschlands, sondern auch Kunden. Wenn sie zukünftig deutsche Spezialmaschinen für ihre eigene Produktion benötigen, müssen auch sie nach der künstlichen Verteuerungsrunde mehr für die deutschen Produkte bezahlen.
Herr Bofinger liefert keine Vorschläge wie und von wem die höheren Leistungssätze der nicht-erwerbstätigen Bevölkerungsteile (Rentner, Hartz IV-Empfänger, etc.) eigentlich erwirtschaftet werden sollen.
Er gibt sich zudem besorgt bezüglich einer Geldentwertung falls Deutschland nichts gegen das Ungleichgewicht beim Wettbewerb unternimmt: "Wir haben nur die Wahl zwischen hässlichen Alternativen: entweder eine zeitweise höhere Inflationsrate bei uns oder eine Deflation in Südeuropa." Abgesehen davon, dass eine Inflation als Nebeneffekt der Niedrigzinspolitik politisch durchaus gewollt ist, verschweigt Herr Bofinger, dass durch die von ihm vorgeschlagene 5%-Erhöhung auf breiter Front zwangsläufig eine Lohn-Preis-Spirale entsteht.
Die von Herrn Bofinger gewünschte fortwährende Steigerung des (Binnen-) Konsums ist schon aus Gründen der endlichen Ressourcen dieser Welt keine Lösung des Problems.
Die primäre Ursache der Krise ist der kreditfinanzierte Konsum und die mittlerweile akuten Zweifel der Schuldner ob die Schulden jemals wieder zurück gezahlt werden können. Es ist eine Schulden- und Vertrauenskrise, keine Krise der Wettbewerbsfähigkeit. Die Erhöhung der Ausgaben und eine weitere Steigerung der Schulden kann das Problem daher nicht lösen.
Dank Niedrigzinspolitik ist bereits jetzt viel zu viel Liquidität im Umlauf. Deutsche Haushalte sparen im Schnitt 10% ihres verfügbaren Einkommens und erhöhen damit stetig den Anlagedruck. Die Börsen boomen „dank“ der enormen Liquidität, Gold und Immobilien befinden sich schon längst wieder auf Vor-Krisen-Niveau. Nicht die allgemeine Höhe der Einkommen in Deutschland ist das Problem, sondern deren Verteilung (siehe Armutsbericht).
Praxisorientiertes Beispiel:
Ein Team bestehend aus insgesamt 12 Arbeitnehmern (acht Vollzeit a 40 Stunden und vier Teilzeit zu je 20 Stunden/ Woche) leistet insgesamt 400 Arbeitsstunden pro Woche. Der Arbeitgeber vergütet die Arbeitszeit mit 10 Euro/ Stunde und hat somit folglich einen Aufwand von insgesamt 4000 Euro pro Woche. [1] Bei einer zwangsverordneten Lohnsteigerung von 5% wären in Zukunft insgesamt 4200 Euro aufzuwenden. Das Budget des Arbeitgebers für das betreffende Team liegt jedoch auch nach der Zwangserhöhung weiterhin bei 4000 Euro.
Das Problem ist für den Arbeitgeber schnell gelöst: er entlässt eine Teilzeitkraft und muss folglich in Zukunft nur noch 380 Wochenstunden entlohnen. Dies zum nun höheren Stundensatz von 10,50 Euro, sodass sich Gesamtkosten von 3990 Euro ergeben, welche wieder im veranschlagten Budget liegen.
Gesamtwirtschaftlich ist dies auf der Einnahmeseite ein Nullsummnenspiel. Die Abgaben zur Sozialversicherung und die Steuern bleiben –abgesehen von leichten Verschiebungen in der Steuerklasse einzelner Arbeitnehmer- in etwa gleich hoch. Wenn der entlassene AN keinen neuen Job findet, gibt es auf der Ausgabenseite jedoch einen zusätzlichen Bezieher von Arbeitslosengeld.
Für das nun um eine Arbeitskraft reduzierte Team bleibt das Arbeitsvolumen natürlich konstant, sodass jetzt die verbleibenden Mitarbeiter das Arbeitspensum des entlassenen Mitarbeiters übernehmen müssen. Vom Management wird klargestellt, dass dies innerhalb der regulären Arbeitszeit zu geschehen hat und dafür keinesfalls Überstunden zu leisten sind.
Folge: Die Leistungsträger des Teams werden in Zukunft schlicht ein bisschen schneller/ effizienter arbeiten. Die Arbeitnehmer, die ihre Leistung nicht weiter steigern können, werden aus Sorge um ihren Arbeitsplatz wahrscheinlich die geforderte Mehrarbeit leisten ohne diese dem Arbeitgeber in Rechnung zu stellen - schlicht indem sie weniger Stunden abrechnen als sie eigentlich geleistet haben. [2] Für einzelne Mitarbeiter des Teams wird die Arbeitsbelastung durch die erneute Steigerung des Arbeitspensums zu hoch werden. Aus Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes werden sie sich jedoch eine Weile abkämpfen bis sie dann schließlich mit Burn-Out aus dem Arbeitsleben ausscheiden und zum Sozialfall werden.
[1] Aus Gründen der Anschaulichkeit und Nachvollziehbarkeit stark vereinfachte Darstellung ohne Sozialabgaben des Arbeitgebers, etc.
[2] http://www.iwh-halle.de/d/publik/presse/34-12.pdf
Artikel: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/peter-bofinger-wirtschaftsweiser-fordert-lohnplus-von-fuenf-prozent-a-875948.html
Tags: Volkswirtschaftslehre wirtschaftsweise uni würzburg prof. dr. Peter Bofinger Interview SPON Spiegel Online Massenmedien